Diese Folgen zeigen die neu angedachten Asylpartnerschaften

Diese Folgen zeigen die neu angedachten Asylpartnerschaften

Nachdem der Kanton die Mandate im Asylwesen neu bestimmt hat, ist die Situation ungewiss. Hoffnung schürt die Beschwerde der Heilsarmee.

Aus dreizehn Partnern wurden vier, die das Asylwesen im Kanton Bern künftig organisieren. In fünf Regionen werden ab 2020 jeweils eine Organisation die Verantwortung übernehmen. Das Los im Oberaargau-Emmental wurde der Firma ORS Service AG zugeschlagen.

Das Nachsehen hat hier vorab die Heilsarmee-Flüchtlingshilfe (HAF). Sie gehört mit neun Asylzentren zu den grössten Dienstleistern im Kanton, betreut rund 3500 Asylsuchende und hat gut 650 Wohnungen für die Unterbringung angemietet. Anstelle des Hilfswerks hat im Oberaargau und Emmental das gewinnorientierte Unternehmen den Auftrag erhalten. Caritas und Heilsarmee haben daraufhin Beschwerde gegen die Vergabe erhoben, um Akteneinsicht zu erhalten. Sie wollen den Entscheid, der für Organisation und Mitarbeitende weitreichende Konsequenzen hat, vollständig analysieren und nachvollziehen können.

Auf der Gewinnerseite steht das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), das kantonaler Asylpartner in den Gebieten Berner Jura-Seeland sowie Bern-Mittelland (zuvor in Händen der HAF) wird. Doch in der Region Oberaargau/Emmental muss das SRK ebenfalls Platz machen, hier ist die Organisation seit über 100 Jahren verankert, wie Reto Mischler, Leiter Kommunikation und Fundraising, sagt. «In den letzten zwei Jahren konnten wir auch mit unserem Sozialdienst für Flüchtlinge hier wertvolle Arbeit leisten», stellt er fest. Das werde auch noch bis zum Ende des bestehenden Auftrages, also bis Ende 2020 weitergeführt. Man bleibe also weiterhin tätig.

Allerdings wird der regionale Sozialdienst für Flüchtlinge in Langenthal auf Ende des nächsten Jahres aufgelöst. 63 Leute der Heilsarmee sind vom Entscheid betroffen. Zur Regionalstelle der Flüchtlingshilfe in Burgdorf kann Lukas Flückiger, Mitglied der HAF-Geschäftsleitung, momentan keine Angabe machen. Zu weit aus dem Fenster lehnen will er sich ohnehin nicht. Es gelte nun den Ausgang des Beschwerdeverfahrens abzuwarten. «Es kann noch in alle Richtungen gehen», ist er überzeugt.

In zwei, drei Monaten werde feststehen, ob die Flüchtlingshilfe endgültig ihr Mandat verliert. Für den Fall, dass die Beschwerde nicht den gewünschten Erfolg herbeiführt, hat sich Flückiger mit den anderen Organisationen in Verbindung gesetzt. Man sei in einem engen Austausch. «Auf strategischer Ebene ist alles geklärt», versichert Flückiger. Die genauen Abläufe bei einer möglichen Übergabe der Arbeit seien noch nicht definiert, sagt Daniel Röthlisberger, Direktor Sozialwerk der Heilsarmee.

Im Gebiet Oberaargau/Emmental seien rund 63 Personen betroffen, wobei der «allergrösste Teil» werde nicht mehr für die Heilsarmee arbeiten können. Ein Übernahme durch die ORS sei wahrscheinlich, zumal es sich um sehr erfahrene und gut qualifizierte Mitarbeitende handelt. «Die Entscheide liegen aber hierbei nicht bei uns», so Röthlisberger. Insbesondere in Schafhausen hat sich die Flüchtlingshilfe stark engagiert; für die Betreuer der Asylsuchenden und diese selbst erwies sich dieser Teil der Gemeinde Hasle anfänglich nicht als einfaches Pflaster. Seit vier Jahren leben hier Asylsuchende im alten Schulhaus, der anfängliche Widerstand gegen die Kollektivunterkunft war massiv.

Einige Massnahmen waren nötig, um den sozialen Frieden zurück ins Dorf zu bringen: regelmässige Informationen, die auf der Gemeindewebseite veröffentlicht werden, dazu eine Hotline, Gespräche am runden Tisch und eine Anwohnergruppe. Strukturen, die aufzubauen Zeit, Energie und viel Vertrauen gekostet hat. «Viel Herzblut wurde hier eingebracht», bestätigt Flückiger. «Es wäre schön, wenn man da weiterfahren könnte.» Die Betreuung vor Ort muss Bestand haben. Die Kollektivunterkünfte Schafhausen und Aarwangen sind vertraglich gesichert.

Der Vertrag mit der Gemeinde Hasle ist ohnehin befristet. Zweimal entschieden die Stimmberechtigten an der Urne, die Liegenschaft weiterhin als Unterkunft für Asylsuchende zu vermieten. Sicherlich wäre auch der Gemeinde lieber gewesen, wenn die Vermietung des alten Schulhauses nicht schon wieder neu geregelt werden müsste. Die Liegenschaft in Aarwangen gehört dem Kanton. Das Gebäude war früher ein kantonales Knabenheim, ehe es für die Unterbringung von Asylsuchenden umfunktioniert wurde.

Wie es weitergeht, weiss Gemeindepräsident Kurt Bläuenstein (FDP) noch nicht. Er sei vom Kanton noch nicht entsprechend informiert worden. Die Strukturen und der Papierkram sind das eine. Im Vordergrund stehe, dass die Betreuung an den Standorten wie Schafhausen für die Klienten weitergehe, sagt Flückiger. Und auch, dass für die Mitarbeitenden keine Nachteile entstünden.

In der aktuellen Ungewissheit sei wichtig, dass sie stets informiert seien über die aktuellen Schritte. Bedenken, dass die ersten Leute das Handtuch werfen, wälzt er nicht. «Es geht ja bis zu einem allfälligen Wechsel ohnehin noch ein Jahr.» Angesprochen auf die Haltung der Mitarbeitenden auf einen Arbeitgeberwechsel, sagt Flückiger: Die meisten der HAF-Angestellten würden gerne für das SRK arbeiten. «Die Meinungen bei der ORS gehen auseinander.»

Es gebe durchaus Leute, die nicht für eine gewinnorientierte Firma zu arbeiten bereit seien. Der Statthalter verlangt eine Aussprache Unzufrieden mit dem Entscheid ist Regierungsstatthalter Marc Häusler. Die Leistungsverträge wickle zwar die Gesundheits- und Fürsorgedirektion mit den einzelnen Partnern ab, das Regierungsstatthalteramt habe aber über die Jahre einen engen Kontakt mit den Hilfswerken gepflegt.

Namentlich bei der Unterbringung von Asylsuchenden habe man ausgeholfen sowie bei der Vernetzung mit den Gemeinden. «Wir haben sehr viel Zeit investiert und hatten eine intensive Zusammenarbeit. Diese ganze Arbeit ist nun verloren.» Die Reaktion seiner Emmentaler Amtskollegin unterscheidet sich nicht grundlegend. «Das ist natürlich auch ein Verlust für uns», sagt Claudia Rindlisbacher.

Mit der Flüchtlingshilfe habe man nun lange zusammengearbeitet, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Man kenne die Player und wisse, wie sie funktionierten. Die Konsequenzen dieses Entscheids seien noch gar nicht absehbar. «Aber wir Werdens nehmen, wies kommt, und das Beste daraus machen.» Ob dadurch in Schafhausen das aufwendig erarbeitete Gleichgewicht zwischen den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern sowie den Asylsuchenden ins Wanken geraten könnte? Rindlisbacher findet es sehr schwierig, das einzuschätzen.

Über den runden Tisch habe man eine gute Zusammenarbeit gefunden, die sich nicht ändern werde, wenn daran andere Köpfe Platz nehmen, glaubt sie. «Schliesslich besteht bei allen Teilnehmenden ein Interesse an dieser guten Zusammenarbeit.» Die Regierungsstatthalter waren im Entscheidungsprozess nicht involviert. Man habe im Vorfeld zwar sogar eine Empfehlung zugunsten der bestehenden Hilfswerke abgegeben, die aber offenbar nichts genutzt habe, so Häusler. Er hat nun von der Direktion eine Aussprache verlangt.

Dadurch erhofft er sich, die Beweggründe für den gewichtigen Entscheid besser zu verstehen. Eine Änderung der Neuvergabe ist in seinen Augen jedoch so gut wie ausgeschlossen. «Wir haben sehr viel Zeit investiert und hatten eine intensive Zusammenarbeit. Diese ganze Arbeit ist nun verloren.» Marc Häusler, Oberaargauer Regierungsstatthalter (SVP) Das soziale Gleichgewicht rund um die Kollektivunterkunft in Schalhausen herzustellen, hat Zeit und Vertrauen gebraucht.

Die Verträge für das alte Schulhaus, das die Gemeinde aktuell an die Heilsarmee vermietet, sind befristet. Foto Adrian Moser Von der Erfahrung von Intact soll ORS profitieren können Zwar hat sich die Stiftung Intact nicht direkt um ein Mandat im kantonalen Asylwesen beworben. Dies auch, weil es um die Abdeckung der Regionen Oberaargau und Emmental ging. «Wir sind aber nur im Emmental tätig», erklärt Geschäftsführer Theophil Bücher, zugleich grüner Burgdorfer Gemeinderat. Trotzdem hat der Entscheid um die Asylmillionen Einfluss auf die Stiftung, die Erwerbslosen und Flüchtlingen eine Beschäftigung und Hilfe bei der beruflichen Integration bietet.

Mit dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) war man nämlich bereits im Gespräch über eine mögliche Zusammenarbeit, hat schon ein Konzept ausgearbeitet. Auch mit der ORS habe man Kontakt gehabt, sei aber noch weniger weit fortgeschritten, so Bücher. Doch die ORS ist für Intact kein unbekannter Partner. Die Organisation hat von 2014 bis 2017 die Asylunterkunft Lindenfeld in Burgdorf betrieben. «Damals haben wir in der intensivsten Phase mehrere Dutzend Personen aus der Unterkunft beschäftigt.»

Nach der Schliessung der Asylunterkunft brachen die Zahlen der beschäftigten Asylsuchenden ein. Heute seien es in Burgdorf noch einer und in Langnau zwei. Mit der ORS will die Stiftung nun Arbeitsplätze für anerkannten Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene anbieten. «Bei diesen geht es nicht mehr um Beschäftigung, sondern vor allem um die Integration in den ersten Arbeitsmarkt.» Heute sind neben den Asylsuchenden zehn anerkannte Flüchtlinge bei der Stiftung intact im Einsatz - dies in Zusammenarbeit mit dem SRK und der Caritas.

Dass Intact trotz neuem Partner weiterhin solche Plätze anbieten wird, ist Bücher zuversichtlich. «Auch die ORS kann von unserer Vernetzung und Erfahrung profitieren.»

Autor
Quelle: Berner Zeitung (13.05.2019)

Publiziert am
14.5.2019