Engagement für Flüchtlinge ist nicht überall gleich gross

Engagement für Flüchtlinge ist nicht überall gleich gross

Die Kollektivunterkunft der Heilsarmee in Oberzollikofen ist dankbar über die Unterstützung Freiwilliger.

Aus 50 interessierten Personen, die sich vor zwei Jahren in Zollikofen für eine freiwillige Arbeit in der Asylunterkunft eingeschrieben haben, ist noch eine Handvoll übrig. Ganz anders sieht es dagegen in Jegenstorf aus. Ursula Wohlgefahrt sitzt in einem Zimmer der Kollektivunterkunft Oberzollikofen und wartet auf die Teilnehmer für ihren Deutschkurs. Schon bevor die 59-Jährige die Unterkunft betreten hat, ist sie herzlich von den Bewohnernbegrüsst worden.

Dankbar für zusätzliche Unterstützung
«Kannst du mir noch helfen bei meinem Führerausweis?», fragt ein junger Mann. «Klar, wir schauen das zusammen an», antwortet sie. Seit 15 Monaten setzt sie sich für die Asylsuchenden ein, als Ergänzung zur Heilsarmee, die die Unterkunft in Oberzollikofen führt. Die Institution sei sehr dankbar über die zusätzliche Unterstützung der freiwilligen Helfer, so die Heilsarmee. Vor einem Jahr hat Wohlgefahrt die Koordination der Freiwilligen für die Kollektivunterkunft Oberzollikofen übernommen.

Und diese Koordination wird immer komplizierter. «Beim ersten Aufruf nach freiwilligen Helfern vor eineinhalb Jahren haben sich 50 interessierte Personen gemeldet», erzählt sie. Jetzt sind von all diesen Interessierten gerade mal sechs oder sieben übrig geblieben, die sich regelmässig als Freiwillige in der Unterkunft engagieren. «Es gab einige, die den Bettel sehr schnell wieder hingeworfen haben», sagt Ursula Wohlgefahrt.

Mit Fantasie für mehr Budget
Es sei häufig passiert, dass die Personen mit Schweizer Erwartungen zu den Asylsuchenden gekommen seien. «Mein Deutschkurs beispielsweise beginnt nie pünktlich um 17 Uhr, es ist eher ein Kommen und Gehen.» Damit die Gruppe überhaupt verschiedene Aktivitäten durchführen kann, braucht sie finanzielle Mittel, die sie selber bereitstellt. «Es ist kein Geld vorhanden, deshalb lassen wir uns etwas einfallen, um unser Budget für Aktivitäten etwas aufzubessern», erklärt Wohlgefahrt.

Dafür haben Freiwillige beispielsweise einen Märit auf die Beine gestellt, auf dem Bewohner der Asylunterkunft Verschiedenes zum Verkauf anboten. «Mit diesem Geld haben wir ihnen Fahrräder beschafft, die sie brauchen können. So sparen sie sich das Busticket nach Bern.» Der restliche Gewinn sei für Integrationsprojekte und Ausflüge vorgesehen.

Mehr Helfer sind dringend gesucht
Dringend Leute gesucht Ursula Wohlgefahrt steckt neben ihrem 100-Prozent-Job in der Treuhandbranche fast ebenso viel Zeit in ihre Arbeit als Freiwillige. «Damit ich aber Freizeitaktivitäten organisieren kann, brauche ich einfach mehr Helfer», sagt sie. Es sei sehr schwierig, die Leute zu animieren, regelmässige Einsätze zu leisten. «Häufig kommen Ausreden, dass es jetzt einfach gerade nicht passe, das ist schade.»

Für zukünftige Angebote, wie beispielsweise einen Strick- oder Werkkurs oderdamit die Gruppe die Deutschnachhilfe überhaupt aufrechterhalten kann, ist Ursula Wohlgefahrt dringend auf weitere Freiwillige angewiesen. «Sonst können wir den Asylsuchenden fast nichts mehr anbieten.» Die Freiwilligen sind vor allem für Tätigkeiten verantwortlich, die nicht von der Kollektivunterkunft selber durchgeführt werden können. Das beinhaltet unter anderem Nachhilfe im Deutsch, sportliche Aktivitäten oder Ausflüge.

Jemanden zum Reden oder Fragen beantworten
Aber auch persönliche Anliegen der Asylsuchenden, wie die Interpretation eines Briefes beinhaltet die Freiwilligenarbeit. «Und manchmal brauchen sie einfach jemanden zum Reden, zum Fragen beantworten oder dafür, ihre Geschichte zu erzählen», sagt die 59-Jährige. Ganz anders in Jegenstorf Keine solchen Sorgen wie in Zollikofen kennt Claudia Lavanchy in Jegenstorf. Die Leiterin der Koordinationsgruppe von «Jegi hilft» kann auf ein grosses Kontingent an freiwilligen Kräften zurückgreifen.

«Ich habe 50 Personen aus der Gemeinde, die regelmässig mithelfen bei Aktivitäten mit den Asylsuchenden», erzählt sie. Ob es um den Deutschunterricht oder das Lernfoyer für die Hausaufgaben gehe, um den Kaffeebetrieb im Kirchgemeindehaus, Sportangebote oder sogar um einen Fahrradkurs, sie könne auf ihre Leute zählen. Man müsse viel in die Koordination investieren, gibt Lavanchy zu. «Meine Arbeit besteht vor allem darin, alle Freiwilligen zusammenzuhalten.»

Freiwillige nicht überfordern
Wichtig sei für sie, direkt auf ihre Leute zuzugehen, wenn sie ein Anliegen habe. «Im Gespräch kann ich besser einschätzen, ob die Person sich vorstellen kann, eine Aktivität mit den Asylsuchenden zu übernehmen», erklärt die 34-Jährige. Man dürfe aber auch nicht zu viel von den Freiwilligen erwarten und sie nicht überfordern. «Es ist immer noch ein Dürfen und kein Müssen, und man muss die Helfer und ihre Arbeit wertschätzen.»

Lavanchy schätzt sich glücklich, in ihrer Gruppe von Freiwilligen auf ganz verschiedene Personen zurückgreifen zu können. «Von Pensionierten bis zu ganz jungen Helfern habe ich im Dorf alles», erzählt sie. So können auch die unterschiedlichen Bedürfnisse der Asylsuchenden gut abgedeckt werden. «Die jungen Erwachsenen leiten beispielsweise die Sportlektionen», freut sich Claudia Lavanchy.

 

Autor
Quelle: Berner Zeitung (26.09.2017)

Publiziert am
26.9.2017