Freiheit, Freude und viele Fragen

Freiheit, Freude und viele Fragen

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga besucht die Heilsarmee-Gärtnerei Buchseegut in Köniz.
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga besucht die Heilsarmee-Gärtnerei Buchseegut in Köniz.
© Aargauer Zeitung / Sandra Ardizzone / Limitierte Rechte

Erste Lockerungen: Simonetta Sommaruga unterwegs in der Heilsarmee-Gärtnerei Buchseegut in Köniz.

Es ist ein Stück Freiheit, das der Bundesrat der Bevölkerung zurückgegeben hat: Seit Anfang Woche dürfen einige Geschäfte wieder öffnen, darunter Gartencenter, Coiffeure, Nagelstudios. Und es ist der Umgang mit dieser Freiheit, von dem sich Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ein Bild machen will.

Dienstagmorgen, Köniz bei Bern, Buchseegut-Gärtnerei. «Hier bei uns», wird eine Verkäuferin später stolz erzählen, kauft auch der Mann von Sommaruga, der Schriftsteller Lukas Hartmann, regelmässig Blumen. «Bald werde ich ihn wieder vorbeischicken», verspricht die Bundesrätin.

Die Gärtnerei hat extra einen Einlasskontrolleur angestellt, der dafür sorgt, dass sich nicht mehr als 40 Kunden aufs Mal zwischen Gemüsesetzlingen und Blumenkisten drängen. Desinfektionsmittel und Gummihandschuhe stehen bereit. Bisher habe alles bestens funktioniert, berichtet Betriebsleiter Hans Lanz.

Die Kunden sind glücklich. Blumen muss man sehen und riechen, das geht online weniger gut. Und die Angestellten – im Buchseegut arbeiten auch Menschen mit einer Behinderung – seien sehr erleichtert.

Sommaruga ist eine Zuhörpolitikerin, die sich gerne Experten ins Haus lädt, aus ihren politischen Projekten trieft der Fleiss. Sie stellt Fragen, um zu verstehen. Wie das jetzt genau funktioniert mit dem Bezahlen. Wie viel Beratung noch drin liegt. Wie sich der Umsatz entwickelt. Manchmal, wenn ihre Begleiter einen Schritt weitergehen, bleibt sie stehen und hakt noch einmal nach. Immer noch mehr wissen wollen, das ist die Methode Sommaruga.

Die Bilder der Tour von Simonetta Sommaruga
Vielleicht lässt so ein Gärtnereibesuch auch für einen Moment die Kritik vergessen, die der Bundesrat zuletzt einstecken musste. Besonders von Gewerblern und Gastronomen, die monieren, dass die einen schneller dran sind mit Öffnen als die anderen. «Ich vermisse derzeit auch vieles», leitet Sommaruga gerne ihre Antworten ein, wenn jemand fragt, wann er wieder ein Bier trinken gehen oder ins Ausland fahren kann. Kaum ein Gärtnereibesucher, der sie nicht freundlich begrüsst, der ihr nicht wohlgesonnen entgegentritt.

Für die Kunden gibt’s Masken und Einwegumhänge
Selbst die Frau, in deren Augen das Coronavirus nicht schlimmer als eine Grippe ist und die sich «wirklich nie und nimmer» impfen lassen würde, freut sich erst mal über die Visite der Bundespräsidentin. Ihre Äusserungen nimmt Sommaruga geduldig nickend zur Kenntnis, sie bewertet diese nicht, sagt einzig, sie wolle die Toten und Betroffenen dieser Erkrankungen nicht gegeneinander ausspielen. Die Sozialdemokratin bleibt ruhig, ist stets ausgesucht höflich.

In Bern besucht die Bundespräsidentin noch den Coiffeursalon von Christian Moser. Sie selbst lässt sich die Haare nicht schneiden, noch nicht. Mit Schutzmaske im Gesicht führt Moser vor, wie er seinen Salon umgekrempelt hat, er erklärt, warum seine Kunden mit Einwegumhängen («Jetzt müssen wir halt viel Abfall produzieren») ausgestattet werden und wie selbst die Feinrasur mit Maske klappt. Derweil schwärmt seine Frau Romina, die das Backoffice führt, wie leicht sie für den Salon einen Hilfskredit mit Bundesbürgschaft beantragen konnte. «Mega einfach war das», sagt sie. «Wow!»

Am Schluss gibt es Lob von Sommaruga, die feststellt, dass der Betrieb gut funktioniert unter den neuen Voraussetzungen. Nur eines bedauern die Mosers: Dass sie der Bundesrätin nicht einmal Wasser oder einen Kaffee anbieten können. Gläser und Tassen hätten sie vorerst verbannt, sagt Christian Moser. «Unsere Kunden müssen jetzt mit dem Mundschutz vorliebnehmen.»

Autor
Quelle: Aargauer Zeitung (28.04.2020)

Publiziert am
4.5.2020