Mitarbeiter am meisten von Schwankungen betroffen

Mitarbeiter am meisten von Schwankungen betroffen

Im November wird der Kanton Bern erneut über die Finanzierung von Notunterkünften entscheiden, die unter anderem die Heilsarmee betreibt.

Im Jahr 2015 flüchteten mehr als 1 Million Menschen über das Mittelmeer nach Europa. Die Folge davon war unter anderem eine grosse Zunahme an Asylgesuchen in der Schweiz. Dass die unterirdischen Notunterkünfte in naher Zukunft wieder halb leer sein würden, das war damals ein fast unvorstellbares Szenario. Aber genau so kam es: Die Auslastung war ab 2016 derart tief, dass der Kanton Bern im Frühling des laufenden Jahres damit begann, Notunterkünfte zu schliessen. Seit Ende September sind nun sämtliche unterirdische Anlagen auf Kantonsgebiet ausser Betrieb, wie die Polizei- und Militärdirektion (POM) bestätigt.

Mehr Flüchtlinge, mehr Geld
Die Schliessungen haben neben der viel tieferen Zahl an Asylbewerbern auch einen finanziellen Hintergrund. Denn die unterirdischen Notunterkünfte kamen den Kanton teuer zu stehen. Dies wegen eines Grossratsentscheids vom Juni 2015: Das Parlament zeigte Verständnis für die Betreiber der Notunterkünfte - dazu gehören etwa die Heilsarmee und die ORS Service AG - die sich über das damalige Finanzierungsmodell beschwert hatten. Für unter- sowie oberirdische Asylunterkünfte galt bis dahin die sogenannte Subjektfinanzierung. Das heisst, die Betreiber wurden nach Anzahl untergebrachter Asylbewerber entschädigt.

War eine Anlage voll, floss mehr Geld, war sie halb leer, floss weniger. Bei gleich bleibenden Infrastruktur- und Personalkosten konnte es so passieren, dass die Heilsarmee und die anderen Asylsozialhilfepartner des Kantons von einem auf den anderen Moment weniger Mittel zur Verfügung hatten. Der Grosse Rat korrigierte das, indem er im Sommer 2015 beschloss, künftig für unterirdische Notunterkünfte auf eine Objektfinanzierung umzustellen und fortan auch leere Betten zu subventionieren. Er genehmigte dafür einen Ausgleichsbetrag von maximal 1,1 Millionen Franken pro Jahr. 

Subjektfinanzierung bei den oberirdischen Durchgangszentren
2015 wurde der Kredit nicht ausgeschöpft, damals schlugen die leeren Betten mit 637 500 Franken zu Buche. 2016 dagegen wurde die volle Summe beansprucht. Extreme Verhältnisse herrschten im laufenden Jahr: Ab Anfang 2017 standen zeitweise bis zu 800 Betten in Notunterkünften leer. Pro Tag kostete die schlechte Auslastung den Kanton rund 23 300 Franken, ein einziger Monat schlug bereits mit 700 000 Franken zu Buche. Der Kredit von 1,1 Millionen war dadurch theoretisch nach 47 Tagen ausgeschöpft. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Polizei- und Militärdirektion 2017 den Kreditrahmen deutlich überschreiten wird.

Seit Ende September sind nun alle Asylsuchenden in oberirdischen Durchgangszentren untergebracht. Das ist zum einen aus humanitärer Sicht begrüssenswert, zum anderen aber eben auch aus finanzieller Perspektive: Denn weil für den Betrieb der oberirdischen Unterkünfte nach wie vor die Subjektfinanzierung gilt, werden die Betreiber für leere Betten nicht entschädigt. Die gemachten Erfahrungen mit der Finanzierung leerer Betten in Notunterkünften, vor allem aber auch der hohe Spardruck im Kanton führen nun wohl erneut zu einer Anpassung des Finanzierungsmodells: Im Rahmen des 185 Millionen Franken schweren Entlastungspakets wird der Grosse Rat im November darüber befinden, nach nur zwei Jahren für unterirdische Notunterkünfte die Objektfinanzierung aufzugeben und zur Subjektfinanzierung zurückzukehren. Damit sollen ab 2018 die zuvor gewährten 1,1 Millionen Franken wieder eingespart werden.

HAF: Stärkeres Mittragen der Schwankungsrisiken
Die Objektfinanzierung der Notunterkünfte wurde nur während der europäischen Migrationskrise aktiv. Da in der ausserordentlichen Asyllage nach Herbst 2015 die Zentren ohnehin stark ausgelastet waren, bedeutete dies für die Heilsarmee Flüchtlingshilfe (HAF) keine grossen Vor- oder Nachteile. "Der Wegfall bringt nun ein stärkeres Mittragen der Schwankungsrisiken durch uns mit sich", sagt Lukas Flückiger, Geschäftsleiter HAF. "Am meisten beschäftigt mich, dass die Mitarbeitenden durch schnellere Schliessungen am stärksten von diesen Risiken betroffen sind."

 

Autor
Die Redaktion und Berner Zeitung (24.10.2017)

Publiziert am
24.10.2017