Obdachlosigkeit: Lebensentwurf oder Schicksal?

Obdachlosigkeit: Lebensentwurf oder Schicksal?

Podiumsdiskussion unter Gesprächsleitung von Journalist Willi Surbeck
Podiumsdiskussion unter Gesprächsleitung von Journalist Willi Surbeck
© Lukas von Känel / Limitierte Rechte

Rund 60 Gäste kommen zur Podiumsdiskussion anlässlich des 110-Jahr-Jubiläums Wohnen für Männer in Basel.

Ist Obdachlosigkeit Schicksal? Anlässlich des Jubiläums – im Wohnen für Männer Basel finden seit dem 11. Dezember 1906 Menschen ein warmes Bett – haben verschiedene Personen diese Frage am 1. Dezember im Kartäusersaal (Waisenhaus, Basel) diskutiert. Auf dem Podium:

  • Journalist Willi Surbeck. Er erzählt in seiner Moderation die Geschichte von zwei Bankern, die zuerst ihren Job verlieren, deren Ehen scheitern, die immer tiefer fallen, bis sie schliesslich auf der Strasse leben müssen. In der Diskussion zeigt sich aber: Es gibt nicht einen Weg in die Abwärtsspirale. Obdachlosigkeit ist mit individuellen Schicksalsschlägen verbunden.
  • Nicole Wagner, Leiterin Sozialhilfe Basel-Stadt. Sie lobt die gute Zusammenarbeit mit der Heilsarmee in Basel. Zum Lebensentwurf Sozialhilfe wehrt sie ab: Zu glauben, Menschen lebten gerne und freiwillig von diesen geringen Beträgen, sei vermessen.
  • Rolf Mauti, ehemaliger Obdachloser, heute Mitarbeiter beim Surprise-Strassenmagazin. Er kennt die Strasse, er lebte hier. Sein Leben - auch er rutschte eine Zeit lang immer tiefer, bestreitet er wieder selbst, mit geringem Einkommen und einer kleinen Suva-Rente. Heute bietet er Rundgänge durch Basel an, die zeigen, wo Not ist. Auch bei der Heilsarmee führen diese Spaziergänge vorbei.
  • Künstler Bryan Haab, der von seinen Erfahrungen berichtet, als er eine Weile mit Obdachlosen zusammengelebt hat.

Durch den Abend führten unter anderem Thomas Baumgartner, Gesamtleiter Heilsarmee Wohnen Basel, und Daniel Röthlisberger, Leiter Sozialwerk Heilsarmee Schweiz. Den musikalischen Rahmen der Veranstaltung bildeten das Ensemble des Musikkorps Heilsarmee Basel 1 sowie eine Bewohner-Band aus dem Wohnen für Männer.

Wohnen für Männer Basel

An der Rheingasse 80 bietet die Heilsarmee 50 Wohnplätze für Männer ab 18 Jahren an. Diese haben ihre Wohnung verloren, eine psychische Erkrankung, eine Suchtmittel-Abhängigkeit oder es droht ihnen die Obdachlosigkeit. Sie erhalten unbürokratisch kurz-, mittel- oder langfristig ein Dach über dem Kopf mit drei ausgewogenen Mahlzeiten täglich. Die Betreuung gewährleisten rund um die Uhr fachlich gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeitende. Die Männer werden individuell in ihrer Selbstkompetenz unterstützt, mit dem Ziel eines weitgehend selbstbestimmten Lebens.

Zur Geschichte

1906 startete Adjutant Robert Kingston dieses neuartige Projekt in Basel, welches am 11. Dezember feierlich eingeweiht wurde. Bereits in der ersten Nacht übernachteten 19 Männer unterschiedlicher Nationen hier. Das damalige Männer-Arbeiter-Heim verfügte über 100 Betten. Das günstigste Angebot im 13er-Schlafsaal kostete 30 Rappen pro Nacht. Ein Desinfektions-Apparat sorgte dafür, dass die „lästigen Schmarotzer“ in den Kleidern vernichtet wurden. Gutscheinbüchlein zu 2.50 Franken und 5.- Franken für die Abgabe an Bedürftige konnten erstanden werden. „In dieser Grenzstadt und sozusagen als Haupt-Durchgangsort von Europa scheint das Bedürfnis noch grösser zu sein als in irgend einer anderen Schweizerstadt“ stellte man damals in einer Heilsarmee-internen Abklärung zum Bedarf eines solchen Wohnhauses fest. Mit dieser Einschätzung sollte die Heilsarmee Recht haben. Sie definierte die Aufnahmekriterien:  „Kein Mann darf wegen seiner religiösen Überzeugung von der Benützung dieser Einrichtung ausgeschlossen werden, sei er Jude oder Heide, Protestant oder Katholik. Das einzige Erfordernis ist die Bedürftigkeit einer helfenden Hand und der gute Wille des Betreffenden, sich helfen zu lassen“. Mittlerweile hat sich das „Männerwohnheim“, wie es im Volksmund genannt wird, bestens im Sozialen Basel etabliert. Sie erfüllt noch den gleichen Auftrag.

Ein modernes Heim entsteht

Die Geschichte des Wohnhauses ist lückenhaft dokumentiert. Das Wohnhaus hatte verschiedene Namen, welche auch Rückschlüsse auf die Verwendung zulassen: Männer-Arbeiter-Heim, Arbeiterheim, Pension „Rheinblick“, Männerheim „Rheinblick“ und heute Wohnen für Männer. Zu Beginn bot das Haus Arbeitern Unterschlupf, die in der Umgebung eine vorübergehende Anstellung gefunden hatten, z. B. bei der Messe. Später wurde das Haus unterteilt: die Seite zum Rhein diente als Pension und die Seite zur Rheingasse als Männerheim. 1989 entschied sich die Heilsarmee zu einer umfassenden Renovation des Hauses. Die Küche wurde modernisiert, im Innenhof wurde ein Lift eingebaut und die sanitären Anlagen erneuert. Stand heute: Die Infrastruktur wie Küche und sanitäre Anlagen sollen 2017 für die Sicherstellung der betrieblichen Abläufe und der Hygiene umfassend saniert werden.

Autor
Heilsarmee

Publiziert am
2.12.2016