Volks-Nein zum Kredit für Asylsozialhilfe trifft nun auch Beschäftigungsprogramme

Volks-Nein zum Kredit für Asylsozialhilfe trifft nun auch Beschäftigungsprogramme

Die Heilsarmee kann wegen gekürztem Betrag weniger Einsätze durchführen.

Als das Volk im Mai 2017 den Asylsozialhilfekredit an der Urne ablehnte, war es sich wohl kaum bewusst, dass davon auch Beschäftigungsprogramme tangiert sind. Betroffen sind nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene.

Abfallentsorgung auf Wanderwegen, Räumungsarbeiten nach Überschwemmungen, Pflege von betagten Menschen: Arbeiten, für die es zu wenig einheimische Interessenten gibt, werden von vielen Asylsuchenden freiwillig ausgeübt. Eine der Organisationen, die vom Kanton Geld erhält, um damit gemeinnützige Einsätze an Asylsuchende zu vermitteln, ist die Heilsarmee.

Künftig wird sie jedoch weniger Stunden anbieten können, da der Kanton nach dem Nein zum Asylsozialhilfekredit Geld sparen muss. Da die Asylsuchenden keine Arbeitserlaubnis haben, dürfen sie für ihren Einsatz keinen Lohn beziehen, stattdessen bekommen sie eine «Motivationsprämie». Ziel der freiwilligen Einsätze ist, dass die Asylsuchenden besser integriert sind und eine Tagesstruktur haben. Die Motivationsprämie pro geleistete Stunde wurde per 2018 durch die Heilsarmee von 3 Franken auf 2.50 Franken gekürzt.

Die Heilsarmee hat im Dezember die Asylsuchenden in einem Brief über die Änderung informiert. Dieser liegt dem «Bund» vor. Neu könne auch «das Essen am Mittag, am Morgen und am Nachmittag nicht mehr bezahlt werden». So bekämen alle Personen gleich viel Geld für ihren Einsatz.

Einer Gruppe von Freiwilligen, die privat Flüchtlinge betreuen, stösst dieser Entscheid sauer auf. Für eine Freiwillige, die nicht mit ihrem Namen in der Zeitung erscheinen will, ist es «oberlausig, dass die Heilsarmee den Entscheid nicht begründet». Sie vermutet, dass die Heilsarmee zu wenig Spenden eingenommen habe und dies nun «an den Schwächsten ausbadet». Sie sagt: «Die Asylsuchenden arbeiten wie verrückt.» Die Flüchtlinge würden «ausgenutzt bis zum Gehtnichtmehr». Bei den Betreuern gebe es daher einen Riesenfrust.

Markus Siegenthaler, Bereichsleiter Services bei der Heilsarmee Flüchtlingshilfe, lässt den Vorwurf, dass die Heilsarmee auf Kosten der Schwächsten spare, nicht gelten. Der Grund, warum die Heilsarmee die Motivationszulage von 3 Franken auf 2.50 Franken gekürzt habe, sei eine Folge des abgelehnten Kredits für die Asylsozialhilfe der Volksabstimmung im letzten Jahr. Aufgrund des Neins wurde die kantonale Finanzierung der gemeinnützigen Beschäftigungsprogramme um mehr als die Hälfte reduziert. Folglich kann die Heilsarmee laut Siegenthaler mit dem Betrag in diesem Jahr nur noch halb so viele Einsätze durchführen.

Führte die Heilsarmee letztes Jahr noch Beschäftigungsprogramme im Umfang von über 200 000 Stunden durch, lägen mit dem vorhandenen Geld dieses Jahr nur noch 100000 Stunden drin. Dass nur noch halb so viele Stunden finanzierbar sind, sei für die Heilsarmee bedauerlich, «weil damit vielen Asylsuchenden ein wichtiges Element der Tagesstruktur und eine Vorstufe des Arbeitsintegrationsprozesses fehlt», so Siegenthaler.

Auch das Kompetenzzentrum Integration (KI) der Stadt Bern bietet Beschäftigungsprogramme an. Ein Beispiel sind die Putzequipen in den weissen «Team Sauber»-Westen bei Bernmobil. Sie bekommen 200 Franken pro Monat für ein 50-Prozent-Pensum.

Das sind 2.50 pro Stunde. «Wir werden diese Zulage nicht senken, daher müsste man nächstes Jahr theoretisch Stunden einsparen», sagt KI-Leiterin Ursula Heitz. Das Ziel sei, trotz der Budgetkürzung möglichst viele Stunden beibehalten zu können. Man prüfe neue Einsatzplätze oder andere Finanzierungsmöglichkeiten.

Gleich tönt es bei der Heilsarmee: «Oberstes Ziel der Heilsarmee ist es, möglichst vielen Asylsuchenden die Möglichkeit zu bieten, an gemeinnützigen Beschäftigungsprogrammen teilzunehmen», sagt Siegenthaler. Die Heilsarmee sei bestrebt, dieses Jahr auf bis zu 60 000 zusätzliche Stunden zu kommen, und kürze als Massnahme die Motivationszulage. «Es kommt den Asylsuchenden zugute, da so wieder mehr Stunden durchgeführt werden können.» So könnten mehr Asylsuchende an Beschäftigungsprogrammen teilnehmen. Die abgelehnte Abstimmungsvorlage hätte 105 Millionen Franken für die Jahre 2016 bis 2019 bereitgestellt, wovon der grösste Teil unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden zugute gekommen wäre.

«Aber ein Teil des Kredits wäre eben auch für die Finanzierung der gemeinnützigen Beschäftigungsprogramme gewesen», so Siegenthaler. Vom Volksentscheid sind heute daher auch erwachsene Asylsuchende betroffen. Brisanterweise war dies in den Abstimmungsunterlagen nicht explizit erläutert worden. Offenbar war dieser Umstand vielen Stimmenden kaum bewusst. Lukas Vögeli, Sekretär der Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen im Grossen Rat, begründet die fehlenden Angaben im Abstimmungsbüchlein damit, dass sich «Abstimmungserläuterungen regelmässig vor allem mit den im Vordergrund stehenden Diskussionspunkten auseinander setzen und nicht alle Aspekte einer Vorlage abdecken».

Auf der Webseite des Grossen Rates seien nach wie vor auch die negativen Folgen für die Beschäftigungsprogramme erwähnt. Verena Berisha, stellvertretende Geschäftsleiterin im Amt für Migration, bestätigt, dass dem Amt wegen der kantonalen Abstimmung Geld fehle, unter anderem für die Beschäftigungsprogramme aller Asylsozialhilfestellen. Es seien noch weitere Sparmassnahmen ergriffen worden, etwa bei der Weiterbildung für Mitarbeitende. Die Suche nach wirtschaftlichen Lösungen «gehört zu unseren alltäglichen Aufgaben und trägt in verschiedensten Bereichen zur Kostensenkung bei», sagt Berisha. Beschäftigungsprogramme Beliebt bei Asylsuchenden Asylsuchende können zugunsten der Öffentlichkeit Arbeitseinsätze leisten.

Diese sind freiwillig und werden stets angeleitet. Konkrete Beispiele sind etwa Abfallentsorgung, Deponiesäuberungen, Räumungsarbeiten nach Überschwemmungen, Forstschutz, Mithilfe bei Kulturanlässen oder Archivarbeiten. Die Einsätze bieten eine sinnvolle Tagesstruktur und die Möglichkeit, ein kleines Entgelt zu verdienen. Sie erfreuen sich bei Asylsuchenden grosser Beliebtheit: Es gibt stets weniger Arbeit als interessierte Asylsuchende. Nach einer Weisung des Amts für Migration soll «die geleistete Arbeit zur positiven Wahrnehmung des Asylwesens im Kanton beitragen».

Ferner sollen die Asylsuchenden ihre Fähigkeiten sinnvoll einsetzen, «um diese weiterzuentwickeln und ihr Selbstwertgefühl zu erhöhen». Im Fokus sind Personen, die in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt haben und im Asylverfahren stehen (Ausweis N). (gef).

Autor
Quelle: Der Bund (13.01.2018)

Publiziert am
15.1.2018