ABC des Glaubens

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Der Schöpfergott (4000 Zeichen): Ein Dialog zwischen Wissenschaft und Theologie.

Seit 2000 Jahren glaubt das Christentum einmütig an einen Schöpfergott. Vor dem Zeitalter der Aufklärung hätte der grösste Teil der Bevölkerung einem solchen Bekenntnis ja auch diskussionslos zugestimmt. Heute jedoch werde die Worte Schöpfer oder Schöpfung hinterfragt oder gar belächelt. Ist es in einem Jahrhundert, in dem die Wissenschaft offenbar die Antwort auf alle Fragen des Lebens bietet, überhaupt noch vernünftig, von einem Schöpfergott zu sprechen?

Ich schlage Ihnen vor, dass wir zu diesem Thema zwei Fragen betrachten. Erstens: Was steckt hinter dem Begriff Schöpfung? Zweitens: Ist ein Dialog zwischen der Wissenschaft und der Theologie möglich? Für die erste Frage sollte es ausreichen, zu erwähnen, dass sich auch Christen nicht einig darüber sind, wie Gott die Welt erschaffen hat. Einige haben kein Problem damit, die modernen Urknall- und Evolutionstheorien mit dem Konzept eines Schöpfergotts in Einklang zu bringen. Andere betrachten die Mehrheitsmeinung der Wissenschaft zu den Ursprüngen des Lebens kritisch und verweisen auf die Allmacht und das unerwartete Wirken Gottes. Dann ist da noch die zweite Frage zum Dialog zwischen Wissenschaft und Theologie. Dieses Thema ist höchst komplex. Tatsächlich glauben nicht alle daran, dass ein solcher Dialog möglich ist. Dazu werden verschiedene Argumente angeführt. Einige sagen, die Wissenschaft spreche von der natürlichen Welt und der natürlichen Ordnung, während es in der Theologie um den Menschen vor Gott gehe. Und da man es nicht mit denselben Studieninhalten zu tun habe, sei der Dialog weder möglich noch notwendig. Andere sagen, die Wissenschaft studiere das Wie und die Theologie das Warum. Auch unter diesem Verständnis ist ein Dialog letztlich nicht erforderlich. Wiederum andere – diejenigen, die sich der Theologie am vehementesten widersetzen – sind der Ansicht, die theologischen Annahmen seien nur eine Fortführung der alten Versuchung, die Welt zu verstehen. Die Wissenschaft sei also der einzige Weg, die Wahrheit herauszufinden.

Der deutsche Theologe Wolfhart Pannenberg (1928–2014) hat die Frage sehr klar beantwortet. Für ihn ist ein wissenschaftlich-theologischer Dialog aus den folgenden Gründen unumgänglich: Wenn der Gott der Bibel wirklich der Schöpfer des Universums ist, können die Prozesse der Natur nur dann vollständig verstanden werden, wenn sie auch in Bezug zu diesem Gott gestellt werden. Falls es aber umgekehrt möglich ist, die Natur ohne Bezug zum biblischen Gott zu verstehen, kann Gott nicht der Schöpfer des Universums sein, er wäre folglich nicht wirklich Gott und auch nicht die Quelle der Moral. Aber wenn Gott Gott ist, dann ist er, nach Pannenberg, Gott der ganzen Welt. Wissenschaft und Theologie müssen deshalb miteinander in Dialog treten, denn beide studieren die natürliche Ordnung, das heisst die Wirklichkeit der Welt. Doch auch wenn es in beiden Fächern teilweise um dieselben Themen geht – und diese Aussage Pannenbergs finde ich besonders interessant –, tragen Wissenschaftler und Theologen bei der Auseinandersetzung mit diesen Themen nicht die gleiche Brille. Wissenschaftler studieren die Welt, indem sie sich auf Einheitlichkeit und Regelmässigkeit der Ereignisse konzentrieren (wissenschaftliche Versuche sind wiederholbar und sollten dabei die gleichen Resultate ergeben). Theologen hingegen halten an der Existenz einer gewissen Kontingenz fest: Die Ereignisse können eintreten oder auch nicht! Aus diesem Grund stossen die beiden Gruppen in ihrem Dialog manchmal gegenseitig auf taube Ohren. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Wissenschaftler und ein Theologe werfen einen Würfel. Der Wissenschaftler wird erklären, dass alle Würfelresultate unfehlbaren statistischen Gesetzen folgen, die sich sehr präzise herauskristallisieren werden, wenn der Würfel mehrere hundert Male geworfen wird. Der Theologe wird dieser Erklärung zustimmen, lächeln und dann den Wissenschaftler daran erinnern, dass er trotzdem keinerlei Möglichkeit hat, den nächsten Wurf mit hundertprozentiger Sicherheit vorherzusagen. Damit spielt er auf den erwähnten Kontingenz an.

Für Pannenberg stellen Wissenschaft und Theologie zwei unterschiedliche und sich ergänzende Arten dar, wie wir über die Schöpfung sprechen und uns dabei der Wahrheit annähern können. Doch laut ihm entschlüpft uns Letzteres immer wieder ein wenig, da unser Wissen nur provisorisch ist. Denn erst am Ende der Zeit wird sich das Licht in seiner ganzen Fülle zeigen.

 

Autor
Major Jean-Marc Flückiger

Publiziert am
1.10.2019