"Die Heilsarmee springt ein, wo etwas fehlt"

"Die Heilsarmee springt ein, wo etwas fehlt"

 Marco Innocente ist Geschäftsleiter der sozialen Institutionen Ost der Heilsarmee.
Marco Innocente ist Geschäftsleiter der sozialen Institutionen Ost der Heilsarmee.
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Interview mit Marco Innocente, Geschäftsleiter Instutionen Ost, über die Sozialarbeit der Heilsarmee.

Marco Innocente, eine Armee als Antwort auf die Probleme dieser Welt, ist das noch zeitgemäss? 
Eine Armee mit Waffen sicher nicht. Die Heilsarmee ist eine Armee Gottes, die mit den Waffen des Dienens, der Nächstenliebe und der Präsenz für andere arbeitet.

Trotz ihrer Prägung als christliche Freikirche ist die Heilsarmee eine der glaubwürdigsten Organisationen, wenn es um das Gemeinwohl geht. Warum?
Das hat mit der konsequenten Haltung der Heilsarmee zu tun. Sie redet nicht nur vom Glauben an einen Gott, der eine Beziehung zum Menschen sucht, sie setzt das um. Das Festhalten an der Verbindung von Glauben und Handeln hat der Heilsarmee viel Achtung eingebracht. 

Warum erledigt die Heilsarmee soziale Aufgaben, die eigentlich Sache des Staates wären?
Der Staat hat in der Vergangenheit im Sozialen, im Bildungs- und Gesundheitswesen mehr und mehr Aufgaben übernommen, die ursprünglich von den Kirchen initiiert worden sind. Nun zieht sich der Staat wegen der Finanzen aus ewissen Bereichen wieder zurück. Dabei fallen Menschen zwischen Stuhl und Bank. Das sind die Orte, wo die Heilsarmee weiterhin investieren will. 

Lebt die Heilsarmee nicht von der Abhängigkeit ihrer Klientel? Die politische Rechte nennt das Sozialindustrie.
Wenn es keine Sozialhilfe mehr gibt, keine Menschen also, die Hilfe nötig haben, dann braucht es auch die soziale Arbeit der Heilsarmee nicht mehr. Die Heilsarmee springt ein, wo etwas fehlt, auch mit ihrem Wohnheim im Neubau an der Ankerstrasse. Der Kanton kam auf uns zu und fragte, ob wir ihn unterstützen könnten. 

Wie hoch ist denn der Eigenfinanzierungsgrad der Heilsarmee?
Fast 40 Prozent der Einnahmen stammen aus den Bereichen Dienstleistungen und Handel, also etwa aus den Erträgen der Brockenstuben. Weitere 25 Prozent sind Spenden und Legate. Die Beiträge der öffentlichen Hand, aus Leistungsverträgen, betragen ziemlich genau ein Drittel des gesamten Ertrags der Heilsarmee. 

Verknüpft die Heilsarmee ihre soziale Arbeit mit der Verkündung der christlichen Glaubensbotschaft? Missioniert die Heilsarmee in Zürich? 
Die christliche Botschaft ist sicher ein zentrales Anliegen der Heilsarmee. In den staatlich finanzierten Tätigkeiten halten wir uns an die Auflagen. Die Teilnahme an einer internen Andacht ist ebenso freiwillig wie die Teilnahme an einem Jassturnier. Es liegt aber auch in der Freiheit eines Klienten, einen Angestellten zu fragen: Warum machst Du das? Da sind unsere Mitarbeiter ja dann aufgefordert, darzulegen, wie sie das Leben sehen und was Glauben für sie heisst. Das sehe ich nicht als Missionieren an. 

In diesem Jahr war ein Offizier der Heilsarmee in den Medien, weil dieser Teufelsaustreibungen durchführt. Haben solche Angebote Platz in der Heilsarmee?
Wenn man die Bibel liest, dann gibt es das Übernatürliche, dann gibt es Geister. Wenn nun jemand von Geistern getrieben ist und jemand anderer die Gabe hat, diese Geister auszutreiben, warum soll er nicht helfen? Vor allem wenn es der betroffenen Person danach sichtlich besser geht? 

In Sachen Geister sind sich aber auch die christlichen Glaubensrichtungen nicht einig, und die Wissenschaft forscht mehr zu Geisteskrankheiten als zu Geistern.
Das Übernatürliche können bloss Menschen mit einer Gabe wahrnehmen, andere spüren das nicht. Und man muss bereit sein, sich auf den Glauben einzulassen und sich darin zu vertiefen, um ihn zu verstehen. 

Macht die Heilsarmee ihre Hilfe abhängig vom Glauben der Bedürftigen? 
Nein. Wir sind überall für die Menschen da, ungeachtet ihrer kulturellen und religiösen Hintergründe oder ihrer Hautfarbe. Wir weisen niemanden ab, das würde nicht zum christlichen Bekenntnis passen. Glauben heisst für uns eben auch, dass man die Menschen so akzeptiert, wie sie sind. 

Wie stark profitiert die Heilsarmee vom positiven Image ihrer Auftritte mit Gesang und Musik im Advent und vor einiger Zeit am «European Song Contest»? 
Wer das selbst schon erlebt hat, für den gehören die Heilsarmee und das Dreibein mit dem Topf für die Kollekte zum Advent dazu. Die Musik gehört seit den Anfängen zur Heilsarmee, auch als guter wirksamer Werbeträger. Vor allem mit ihren robusten Brassbands konnte sich die Heilsarmee in schwierigen Zeiten ein erstes Mal Gehör verschaffen. 
 

Autor
Interview: David Herter / Quelle: Lokal Info AG (18.10.2017)

Publiziert am
18.10.2017