Eine zweite Chance für T-Shirts

Eine zweite Chance für T-Shirts

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Textildesignerin Rita Tomasini setzt mit ihrem Label Second choice auf Recycling und verwendet als Rohstoff Kleider von der Heilsarmee.

Rita Tomasini aus Bonstetten ist Textildesignerin. 2016 gründete sie das Label «second choice». Sie setzt 100 Prozent auf Recycling und lässt in der Schweiz fair produzieren.

Der erste Blick in Rita Tomasinis Atelier macht neugierig. Der kleine Raum ist bunt, sehr bunt. Es gibt viel zu sehen im Ausstellungsraum, an der Birchstrasse 4 in Bonstetten. Hier empfange sie Kunden und Freunde, erklärt Rita Tomasini. Der Blick bleibt an einer Tasche mit buntem Aufdruck hängen.

«Es gibt jede Tasche nur einmal, wie es auch jeden Träger nur einmal gibt, das heisst jede Tasche ist ein Uni-Porträt kat», beginnt Rita Tomasini das Gespräch und deutet auf einen Kleiderständer, an dem eine Tasche aus Jersey hängt. Im Aussentäschchen steckt eine lustige Puppe, auf der anderen Seite lugt eine Getränkeflasche heraus.

Neue Stofftaschen tabu
Es habe 2013 angefangen, als der Bund das erste Mal auf die allseits bekannte Problematik der jährlich 400 Mio. Einweg-Plastiktüten aufmerksam machte, die in der Schweiz beim Einkäufen benutzt werden. Und da reifte die Idee in Rita Tomasini, dass ein Ersatz gefunden werden muss, der die Ressourcen möglichst wenig belastet.

Das hiess, dass auch eine einfache Stofftasche nicht infrage kam, da für diese sehr viel Wasser und Boden vernichtet wird. Es musste also Recycling sein. «Ich suchte nach einer nachhaltigen Lösung und einem recycelbaren Rohstoff und fand diesen in alten T-Shirts. Mit diesen begann ich zu experimentieren.» Viele Stunden, Tage und Modelle später stand die sowohl einfache wie auch geniale Form einer praktischen Tasche, die mehr sein wollte als nur eine einfache «Poschtitäsche».

Alte T-Shirts als Rohstof
Es entstand eine Tasche, die es in drei Grössen gibt und so individuell ist, dass sie die Menschen an den Strand, in den Club, zum Einkäufen und an viele weitere Orte begleiten kann. Als Rohstoff werden nur T-Shirts aus Kleidersammlungen von der Heilsarmee verwendet und nur diejenigen, die nicht mehr in den Second-Hand-Handel gehen. Dazu kommen lediglich Faden und ein Etikett für das Logo. Bewusst wird auf allen Schnickschnack weitestmöglich verzichtet. 2016 war es dann so weit und Rita Tomasini gründete die Firma second choice gmbh.

In der Zwischenzeit entwickelte sie weitere Recylingprodukte wie Schals, Handyhüllen und Puppen. Eine Website entstand und die originellen Designertaschen können seit einem halben Jahr über den Onlineshop gekauft werden. «Ist das nicht toll?», fragt die Textildesignerin rhetorisch und freut sich riesig über diesen Erfolg. Es sei ihr ein grosses Anliegen, ifcre Projekte bekannt zu machen. Dies sei auch wichtig für die Menschen, die dahinterstehen.

Die Produkte werden alle von Menschen in sozialen Einrichtungen gefertigt, die wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen, oder von Menschen mit einer Behinderung. Zurzeit arbeitet sie mit der Institution Sprungbrett Palenttino vom Sozialamt der Stadt Zürich zusammen. Dort werden die Textilien gewaschen, sortiert und zu den bestellten Produkten verarbeitet «Also im doppelten Sinn ein gutes Projekt und 100 Prozent fair», sagt Tomasini.

Kreative Entwicklung
Rita Tomasini arbeitet seit frühester Jugend mit Textilien. Sie habe zwar eine kaufmännische Lehre gemacht, weil ihr Vater ihr damals erklärt habe, dass Kunst ein «brotloser» Beruf sei, aber ihr Herz gehörte von jeher dem Kunsthandwerk.

So war sie hauptsächlich in ihrer Freizeit künstlerisch tätig. Erst schuf sie dreidimensionale Bilder mit pflanzlichen Fasern wie Schnüren oder Binsen und verkaufte diese auf dem Rosenhofmarkt in Zürich. Dann hat es ihr der Rohstoff Seide angetan. Wichtig sei ihr schon immer gewesen, dass die von ihr geschaffenen Stücke multifunktional sind und zu mehreren Outfits getragen werden können, so die Künstlerin.

Noch mehr Ideen
Abgetrennt durch einen Vorhang, stapelt sich im hinteren Teil des Ateliers das Arbeitsmaterial, Nähmaschinen, Prototypen, Kisten mit Stoffen, alten Jeans und Shirts. Jede Menge tolle Materialien, die jedes Künstlerherz höherschlagen lassen. «Mein Kreativ-Fundus», lacht die Bonstetterin. Rita Tomasini sieht sich als Produktdesignerin. «Der Recyclinggedanke steht an erster Stelle», erklärt sie. Mit ihrer Idee will sie gegen die Verschwendung kämpfen und dem Überfluss die Stirn bieten.

Autor
Quelle: Zürcher Wirtschaft (23.10.2020)

Publiziert am
24.1.2020