Frühe Kindheit in Freiheit

Frühe Kindheit in Freiheit

Kinderkrippe Neumünsterallee
Kinderkrippe Neumünsterallee
© Heilsarmee Schweiz/ Ruben Ung / Limitierte Rechte

Am 29. Februar feierte die Kinderkrippe der Heilsarmee an der Neumünsterallee in Zürich ihr 30-Jahr-Jubiläum mit einem Tag der offenen Tür.

In den Eingangsbereichen beider Stockwerke heissen lange Tische mit feinen Backwaren und Getränke die Gäste willkommen. Entlang der Wände informieren Plakate über die Geschichte der Institution. Bunte Pfeile weisen die Besucherinnen und Besucher zum Kunst- und Kreativmarkt, zu den Aktivitäten für Kinder, zur Bildergalerie und zum Wickelraum.

Sicherheit und Vertrauen
Von den beiden Buffets aus geht es in die Räume der vier Kindergruppen – der Seestärne, der Schöfli, der Jona und der Sunnestrahle. Beim Anblick der Stühlchen und Tischchen, Zahnbürstentässchen und Maträtzchen, Kleiderkistchen und Garderöbchen wird es einem ganz warm ums Herz. Man nimmt selbst wahr, was Kindererzieherin Jeannine Roost auch bestätigt: „Die Kinder fühlen sich hier wirklich zuhause. Sobald die Sicherheit und das Vertrauen aufgebaut sind, bewegen sie sich hier sehr frei.“

Die Neubarockvilla mit ihren hohen Jugendstilfenstern, der wundervoll ziselierten Holztreppe, den zahlreichen Räumen und Nischen sowie dem weitläufigen Garten erfüllt von Gegebenheiten her die Bedürfnisse der Institution. „Die Räume sind so gestaltet, dass sich die Kinder bestmöglich entwickeln", sagt Institutionsleiterin Lisa Schaub.

Zur Verfügung stehen, nebst Spielsachen und Kinderbücher, auch Materialien für Rollenspiele, für Feinmotorik und Konstruktionen, ferner ein Malatelier, ein Bewegungsraum, ein Musikzimmer und ein Pavillon als Ergänzung der Räumlichkeiten im Haupthaus. „Alle diese Möglichkeiten werden situativ genutzt, je nach den Bedürfnissen der Kinder“, erklärt die Sozialpädagogin. Die Gruppen werden altersgemischt geführt. Jede Gruppe hat elf Kinder von drei Monaten bis Kindergartenalter und wird von zwei ausgelernten Fachpersonen Betreuung und zwei Lernenden oder PraktikantInnen betreut.

Raus an die frische Luft
Zur festen Tagesstruktur gehört auch frische Luft. Ob in den eigenen oder den nahegelegenen botanischen Garten, ob zum Bauernhof Weinegg oder dem Waldstück beim Elefantenbach, ob in den Park oder Zoo: „Einmal pro Tag geht es nach draussen – da legen wir viel Wert darauf“, so Lisa Schaub.

Das Programm sieht auch geleitete Aktivitäten und Inputs vor. Allerdings gibt es innerhalb dieses Rahmens viele Freiräume. „Wir leben eine ressourcenorientierte Haltung mit den Kindern, sodass keine Zwänge bestehen“, präzisiert Schaub. „Wir schauen, wofür sich die Kinder interessieren, und sie dürfen mitbestimmen."

Das Interesse der Kinder wird freilich als Lernmotor genutzt. Als kürzlich die Gruppe Jona viele Fragen zu den Eisbären stellte, riefen die Betreuerinnen kurzerhand das Projekt „Lebensraum Arktis“ ins Leben. Mit Inputs, Aktivitäten, Zoobesuchen, Geschichten, Kasperlitheater und Ausflügen setzte sich die Gruppe mit den faszinierenden weissen Riesen auseinander. “Wenn sich die Kinder für etwas interessieren, dann lernen sie auch gerne – das ist ja unser Ziel“, sagt die Institutionsleiterin.

Christlicher Glaube als gelebte Option
Christliche Werte bilden den Rahmen für den alltäglichen Umgang mit den Kindern, dazu gibt’s biblische Kinderliteratur, christliche Tischsprüche oder Lieder. Lisa Schaub: „Wir leben den Glauben so, dass es für die Kinder eine Option ist. Da wir offen sind, gibt es keine Probleme, selbst wenn ein Kind aus einem anderen Kulturkreis stammt.“

In der Pädagogik der Institution widerspiegelt sich das ganzheitliche Bild des Menschen als eines Wesens mit Leib, Seele und Geist. „Wir sind achtsam mit den Kindern, wertschätzend, ruhig und einfühlsam. Jedes Kind soll sich als einzigartige Persönlichkeit empfinden.“

Die frühe Kindheit sei sehr prägend und bilde das Fundament des späteren Erwachsenenlebens. Es sei eine Phase, in der sich das Kind sehr vieles aneigne sowie auch Resilienz (seelische Widerstandskraft) entwickle. „Wie wir in Konfliktsituationen reagieren, wie wir uns ernähren, wie wir auf die Gesundheit achten – in alledem dienen wir den Kindern als Vorbilder“, ist sich die Institutionsleiterin bewusst.

Stärken transparent gemacht
Stolz ist die Institution auf ihre „Edelsteinsuche“: 2010 startete es in Zusammenarbeit mit dem Marie Meierhofer Institut für das Kind ein Pilotprojekt, das zu den Bildungs- und Lerngeschichten führte. Dazu Lisa Schaub: „Wir beobachten, welche Entwicklungsschritte ein Kind gerade macht. Wir tauschen uns darüber aus, und dann schreiben wir eine Lerngeschichte darüber. Diese enthält eine bestimmte Stärke des Kindes, die durch eine Begebenheit sichtbar gemacht worden ist.“

Diese Lerngeschichten erfolgen individuell und in regelmässigen Abständen. Sie werden, meist mit Fotos hinterlegt, in einem Ordner gesammelt – dem sogenannten Portfolio eines Kindes. „Ziel ist, dass jedes Kind diesen Ordner mitnehmen kann, wenn es dann weitergeht. Darin sind bereits seine Talente und Ressourcen transparent gemacht.“

 

Autor
Livia Hofer

Publiziert am
3.3.2020