Gnadenfrist für Besetzer im Korps Zürich Zentral

Gnadenfrist für Besetzer im Korps Zürich Zentral

Das Gebäude der Heilsarmee Zürich Zentral ist seit dem 23. November besetzt.
Das Gebäude der Heilsarmee Zürich Zentral ist seit dem 23. November besetzt.
© 20M / Reto Oeschger / Limitierte Rechte

Am Freitag hätten die ungebetenen Gäste das Zenti verlassen müssen. Nun lässt ihnen die Heilsarmee noch länger Zeit.

Für den Umbau des Heilsarmee-Gebäudes im Zürcher Kreis 4 ist alles bereit, die Baubewilligung erteilt. Im Januar soll der Abbruch beginnen. Läuft alles wie geplant, könnte die Heilsarmee Ende 2019 das neue Wohnheim mit 36 Plätzen und den Gemeindesaal an der Ankerstrasse 31 beziehen. Seit kurzem hat die Heilsarmee allerdings ungebetene Gäste im Haus. Am 23. November sind Besetzer in das leer stehende Gebäude eingezogen. «Was soll das Theater?» haben sie auf ein Transparent gepinselt und über dem Eingang aufgehängt.

In einem Flugblatt und auf Schildern vor dem Eingang schreiben sie, dass die Besetzung bedroht sei. Die Heilsarmee setzte ihnen ein Ultimatum: Die Besetzer sollen das Gebäude bis zum 22. Dezember verlassen. Daran denken die Besetzer nicht. Sie riefen zum Widerstand auf: «Komm am 22.12. von ganz früh bis spät vor die Ankerstrasse 31. Sei solidarisch und geniess Crepes and Show.» In einem Brief an die Nachbarschaft sind die Besetzer noch etwas ausführlicher: «Wir haben keine Angst und werden keinen Leerstand dulden.» Die Heilsarmee wolle sie strafrechtlich verfolgen, wenn sie das Gebäude bis zum 22. Dezember nicht verlassen hätten. Den Besetzern gefalle es hier im Quartier. Die neugierigen Leute, die hereinkämen, würden ihnen Freude bereiten. «Wir fänden es toll, wenn sie sich als Einzelperson oder als Gruppe mit uns solidarisieren und uns darin unterstützen, so lange wie möglich und ohne Kriminalisierung im Haus bleiben zu können», schreiben die Besetzer weiter.

Verärgerter Anwohner
Etwas weniger Gefallen an der Besetzung findet ein Anwohner. Grundsätzlich habe er nichts dagegen, wenn leer stehende Häuser besetzt würden, sagt er. «Ich habe allerdings kein Verständnis, wenn ich jeden Tag Flyer im Briefkasten vorfinde, welche mich zu mehr Solidarität und zur Mithilfe beim Widerstand gegen die bevorstehende Hausräumung auffordern.» Auch die «Schmierereien» am Gebäude stören ihn. Er stellte erstaunt fest, dass die Heilsarmee bislang noch nichts unternommen habe, und erwarte, «dies auch im Namen vieler Anwohner», dass entsprechende Massnahmen eingeleitet würden, damit es am 22. Dezember zu keinem «Theater» komme.

Es reiche schon, dass noch Partys und Konzerte geplant seien. Die geplanten Konzerte haben am vergangenen Samstag stattgefunden. Die Besetzer haben die Anwohner darüber im Voraus informiert. Und um Verständnis für eine etwas lautere Nacht gebeten: «Uns ist bewusst, dass das Gebäude in einem Wohnviertel steht, und wir tun unser Möglichstes, damit sich der Lärmpegel in Grenzen hält.» Gäste und Anwohner sollen einen guten Abend mit dem Perlaton-Festival verbringen können, einem kleinen alternativen Zürcher Festival mit nomadischem Charakter.

Dem Anwohner war es allerdings zu laut: «In der Nacht auf Sonntag mussten wir gegen 22.15 Uhr die Polizei verständigen.» Die Zürcher Stadtpolizei bestätigt auf Anfrage eine Lärmklage. Die Polizei sei daraufhin ausgerückt. «Auf Intervention der Stadtpolizei schloss der Veranstalter die Fenster und stellte die Musik leiser», sagt ein Sprecher.

Die Polizei habe daraufhin die Veranstaltung bis zum Schluss beobachtet. Laut dem Sprecher wäre eine weitergehende Intervention nicht verhältnismässig gewesen. Der Veranstalter wird allerdings aufgrund der eingegangenen Lärmklagen beim Stadtrichteramt Zürich zur Anzeige gebracht. Die Kritik des einen Anwohners hat auch die Heilsarmee erhalten. Ansonsten seien bislang aber keine Rückmeldungen bezüglich der Besetzung eingetroffen, sagt ein Sprecher der Heilsarmee dem «Tages-Anzeiger».

Am späten Montagabend teilte die Heilsarmee schriftlich mit, man werde über die Festtage keine Menschen auf die Strasse stellen: «Wir haben entschieden, den Aufenthalt der Besetzer über die Festtage, ohne Anerkennung einer Rechtmässigkeit, zu dulden.» Die Baufreigabe werde in den nächsten Tagen erwartet. Das Ziel bleibe, die Bauarbeiten am 9. Januar 2018 in Angriff zu nehmen, heisst es in den Schreiben weiter. Ziehen die Besetzer bis dann nicht aus, wäre die Heilsarmee gezwungen, eine Anzeige einzureichen.

Ohne Anzeige durch den Eigentümer der Liegenschaft räumt die Stadtpolizei das Haus nicht. Obwohl die Hausbesetzer laut Strafrecht Hausfriedensbruch begehen. Im «Merkblatt Hausbesetzungen in der Stadt Zürich» ist das die gängige Praxis in Zürich.

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Quelle: Tages-Anzeiger (21.21.2017)

Publiziert am
21.12.2017