Heilsarmee-Pionierin mit Oberländer Wurzeln

Heilsarmee-Pionierin mit Oberländer Wurzeln

Die Schriftstellerin Barbara Traber.
Die Schriftstellerin Barbara Traber.
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Die Schriftstellerin Barbara Traber über Anna von Wattenwyl: "Sie ist eine der bedeutendsten Berner Frauen der Geschichte."

Vor 150 Jahren pflegte sie Kriegsverletzte und landete später wegen ihres Glaubens im Gefängnis. Hans Heimann «Die Sonne des 25. Juni 1859 beleuchtet das schreckliche Schlachtfeld, bedeckt mit Leichen überall liegen Tote ... die Umgebung von Solferino ist mit Leichen übersät...», schrieb Henry Dunant in seinem Buch «Eine Erinnerung an Solferino». Aufgrund dieser Schilderungen über den Sardinischen Krieg wurde auf seine Initiative hin das Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege, das spätere Internationale Komitee vom Roten Kreuz, gegründet. Dunant regte auch an, freiwillige Hilfsorganisationen zu gründen, die sich bei Kriegen um Verwundete kümmern.

Eine solche entstand 1861 unter anderen mit dem Evangelischen Diakonissenverein in Heidelberg. Und bereits elf Jahre nach der Schlacht bei Solferino wurde deren Heim zum Militärkrankenhaus der Verwundeten des Deutsch-Französischen Krieges, der im Juli von 1870 begann. Nun hatten sich die Krankenschwestern auch um die Pflege verwundeter Soldaten zu sorgen. Als adlige Pflegerin im Krieg Mitten in diesem grossen Lazarett pflegten auch Berner Diakonissen französische und deutsche Verletzte. Eine von ihnen war Schwester Anna, die sich um 30 Schwerverwundete kümmerte.

Ihr lag es am Herzen, nicht nur körperliches Leiden zu heilen, sondern auch seelsorgerische Unterstützung anzubieten. Geboren wurde sie den Eheleuten Gottlieb und Anna Maria von Wattenwyl 1841 in Lauenen, wo ihr Vater als reformierter Dorfpfarrer tätig war. Ein berufsbedingter Ortswechsel brachte die Patrizierfamilie nach Reichenbach im Kandertal, wo Anna mit sechs Geschwistern aufwuchs. Mit ihrer Familie zog die 12-Jährige nach der Pensionierung ihres Vaters nach Gurzelen. Später schrieb sie in ihrem Buch «Einige Erinnerungen aus meinem Leben», dass sie eine sehr behütete Jugend in einem frommen Elternhaus erlebt hatte und schon früh von der Wohltätigkeit ihrer Mutter, einer Irin, geprägt wurde.

Entscheid brachte Gefängnis
Im Alter von 18 Jahren reiste Anna mit ihrer älteren Schwester zu Verwandten nach Paris und England. Es war in London, wo sie zum ersten Mal die Heilsarmee kennen lernte. In ihrem Buch erwähnt sie, dass sie nach der Rückkehr aus England todkrank gewesen sei und sich fragte: «Würde ich selig sterben?» Unter dem regen Besuch im Elternhaus befand sich während ihrer Krankheit ein Missionar, der mit ihr ein vertieftes Gespräch führte. Diese Unterhaltung hat sie tiefgründig erweckt. Sie schloss sich später der von Pfarrer William Booth in London gegründeten Heilsarmeebewegung an, als diese 1882 ihre Tätigkeit auch in der Schweiz aufnahm.

Dieser Entscheid löste in ihrem Bekanntenkreis grosse Bestürzung aus, denn damals waren die salutistischen Tätigkeiten dieser Bewegung in der Schweiz trotz Religionsfreiheit zum Teil noch verboten. Von Wattenwyl war die letzte Schweizer Heilsarmeeoffizierin, die in Basel zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Mit Motorrad unterwegs Nichtsdestotrotz wurde das soziale Hilfswerk der Heilsarmee in der Schweiz aufgebaut, und die Bernerin war entscheidend daran beteiligt. Sie gründete in Zürich eine Zufluchtsstätte für Obdachlose, wurde zu einer bekannten Persönlichkeit und bekleidete schliesslich den Rang einer Oberstin. Es war ihr eine grosse Ehre, sich für sozial Benachteiligte einzusetzen.

Ihren Schützlingen begegnete sie mit warmer und mütterlicher Liebe - und stets in Uniform. Sie hatte nie Probleme mit der Mode, da sie nie mit Modefragen konfrontiert wurde. Während 40 Jahren trug sie nichts anderes, es war für sie ein von Gott geweihtes Kleid gewesen. Vielen Menschen konnte sie dank dem christlichen Bekenntnis, das die Uniform darstellt, geistlichen Beistand vermitteln. In späteren Jahren gründete sie in Gurzelen einen Aussenposten der Heilsarmee und pflegte daneben ihre alte Mutter.

Auch nach der Pensionierung blieb sie eine engagierte Christin. Regelmässig fuhr sie zu den Aktivitäten der Heilsarmeeleute, im Winter auch mal mit dem Schlitten oder als 84-Jährige im Seitenwagen eines Motorrades. Eine grosse Dame blieb Anna von Wattenwyl bis zuletzt, bis zu ihrem Tod am 12. Januar 1927. Dass sie im Buch «40 bedeutende Berner Frauen aus sieben Jahrhunderten» von Barbara Traber aufgelistet ist, begründet die Autorin wie folgt: «Anna von Wattenwyl hat viel Gutes getan, sie war eine wichtige Frau für die Heilsarmee.»

Barbara Traber (Bild), die Autorin des Buches «40 bedeutende Berner Frauen aus sieben Jahrhunderten», wurde in Thun geboren und lebt heute in Worb.

Autor
Quelle: Thuner Tagblatt (30.07.2020)

Publiziert am
30.7.2020