Man nimmt sie kaum wahr

Man nimmt sie kaum wahr

© Livia Hofer / Lizenzfrei

Die Heilsarmee, der Pfuusbus und andere Organisationen geben obdachlosen Menschen Unterkunft.

Claudine Hofstetter lebt derzeit in einem Studio der Heilsarmee in Basel. Wohnungslose sind Menschen, die ihr Zuhause verloren haben. Sie schlafen nicht auf der Strasse, sondern bald auf dem Sofa von Freunden, bald in einer Notunterkunft. Es gibt immer mehr von ihnen.

Als Bruno Häberli an diesem Morgen im letzten November das Telefon in die Hand nahm und die Polizei anrief, wusste er nicht, dass sich sein bisheriges Leben gerade in Luft auflöste. Häberlis Weggefährtin war in der Nacht gestorben. Weil nur sie als Mieterin gemeldet war, musste der 66-Jährige die Wohnung verlassen, sofort. Das Erbschaftsamt versiegelte sein Zuhause. Mit einem Plasticsack in der Hand stieg er in das Polizeiauto, das ihn zur Notschlafstelle in Basel brachte. Seither ist er wohnungslos.

Spätestens um 8 Uhr muss er die Unterkunft verlassen, zurückkehren kann er zwölf Stunden später, um 20 Uhr. «Die ersten Tage waren kalt», sagt Bruno Häberli, der wie alle anderen wohnungslosen Menschen in diesem Text eigentlich anders heisst. Er irrte vom Morgen bis zum Abend in der Stadt umher, er hatte keine Ahnung, wohin mit sich. Die Gassenküche, die Treffpunkte an warmen Orten, all das musste er zuerst finden. Für die Passanten in der Basler Innenstadt sah er hingegen aus wie ein ganz normaler älterer Herr mit weissen, vielleicht etwas zu langen Haaren und Dreitagebart, der durch die Stadt spazierte.

Die Geschichte von Bruno Häberli, der in besseren Zeiten Hotelier in den Bündner Bergen war, zeigt, wie schnell es auch hier, bei uns in der reichen Schweiz, gehen kann. Wie Menschen ihr Zuhause verlieren können - oft weil sie in einer persönlichen Krise einfach keine günstige Wohnung mehr finden. In den grossen Schweizer Städten wie Zürich, Basel oder Genf passiert das Hunderten. Sie sind jedoch, genau wie Häberli, für die Gesellschaft unsichtbar. Sie sehen nicht aus wie Clochards in Paris oder New York, die auf abgewetzten Kartonschachteln sitzen und betteln.

Die wohnungslosen Menschen in der Schweiz tragen Winterjacken, manche sogar ein Hemd oder Gel im Haar. Sie führen ein Leben auf fremden Sofas. Auf der Strasse schlafen sie nur, wenn es wirklich nicht anders geht. Die Obdachlosigkeit in der Schweiz ist versteckt und sie nimmt zu. Das sagen Sozial- und Gassenarbeiter von Aarau bis Zug.

Es ist ein Tag im Januar im Basler Quartier St. Johann, draussen schneit es. Vor dem Lokal des Schwarzen Peter, des Vereins für Gassenarbeit, stehen die Leute Schlange. Ein etwa 25-jähriger Mann schiebt sich an den anderen vorbei. Er hat eine Winterjacke, Stoffhosen und Turnschuhe an - die Nässe hat den dünnen weissen Stoff grau verfärbt.

Er mag nicht reden. Er komme hierher, um seine Post abzuholen, sagt er und verschwindet. Nach ihm ist die Reihe an einer Frau, sie hat ihre Haare zu kleinen, makellosen Zöpfen geflochten, «selbstgemacht, man lernt das, wenn man kein Geld hat», sagt sie in breitem Baseldeutsch. Das ist Claudine Hofstetter, 44, gelernte Modeverkäuferin aus Basel. Ihre Geschichte würde ein ganzes Buch füllen.

Alles beginnt mit einem schweren Skiunfall, Schleudertrauma. Sie gibt wegen der Schmerzen ihren Job auf. Für die Invalidenversicherung ist Hofstetter voll arbeitsfähig. Kein Arzt kann ihr helfen. «Ich kämpfe gegen Windmühlen», sagt sie.

Das ist ihr Lebensgefühl geworden, es macht sie krank, sie bekommt Angstzustände, soziale Phobie. Es folgt die Trennung von ihrem Partner, eine Zeitlang lebt sie von Sozialhilfe. Als die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt scheitert, packt sie ihre Koffer und fliegt nach Marokko. Nach einer Zwischenstation in Berlin kommt Hofstetter zurück. Zuerst übernachtet sie bei einer Bekannten.

Im letzten November steht sie vor der Notschlafstelle Basel. Mittlerweile hat sie ein eigenes kleines Studio bei der Heilsarmee bezogen, bis Ende Jahr darf sie bleiben. «Eine kurze Verschnaufpause», sagt sie. Rund 400 Personen allein aus Basel-Stadt nutzen derzeit die Meldeadresse beim Schwarzen Peter, lassen ihre Post hierherkommen. Das heisst, sie haben keine eigene Adresse, keine fixe Wohnung mehr. Ihr offizielles Zuhause befindet sich, schön nach Alphabet geordnet, in einem Hängeregister.

Das Couch-Surfing-Modell
Michel Steiner, gelernter Pflegefachmann, ist Gassenarbeiter beim Schwarzen Peter. In den vergangenen sechs Jahren habe sich die Zahl der Menschen, die von der Meldeadresse Gebrauch machten, mehr als verdreifacht. Und es gibt noch eine weitere Entwicklung: «Wir haben es zunehmend mit versteckter Obdachlosigkeit zu tun», sagt Steiner. Er hat dafür ein spezifisches Wort: Wohnungslosigkeit.

Er schätzt, dass von den 400 Personen nur etwa 40 tatsächlich draussen, auf der Strasse, übernachteten. Weitere rund 10 Prozent seien in der Notschlafstelle oder in anderen Einrichtungen wie etwa der Heilsarmee untergebracht. «Der allergrösste Teil lebt eine Art Couch-Surfing-Modell», sagt Steiner. Diese Menschen kämen tage- oder wochenweise unter bei Freunden, Bekannten oder Familienmitgliedern. Was auch immer wieder vorkomme: Dass Frauen gegen Sex einen Schlafplatz erhalten.

Eine deutliche Mehrheit der Besucher im Schwarzen Peter sind Männer, doch es gibt auch wohnungslose Frauen, die bisher älteste Viele Menschen, die ihre Wohnung verlieren, versuchen, eine eigene Lösung zu finden. Sie schlittern langsam in die Katastrophe. war 82. Gut zwei Drittel der Postfachnutzer sind jünger als 47 Jahre. Viele, aber längst nicht alle, haben die prekären Lebensumstände geerbt, kommen aus einer Familie mit finanziellen Problemen oder sind zum Beispiel im Heim aufgewachsen.

«Zunehmend kommen auch Angehörige der unteren Mittelschicht in die Situation, ohne Wohnung dazustehen», sagt Steiner. Normale Leute, die aus dem System fallen. Manche arbeiteten sogar, zumindest solange es noch irgendwie gehe. Ihr Lohn reiche halt einfach nicht für ein gutes Leben. Im Durchschnitt beanspruchen die Leute das Postfach beim Schwarzen Peter für rund sieben Monate.

Oft ist Wohnungslosigkeit kein permanenter Zustand, sondern die Leute pendeln zwischen einem Leben mit und ohne eigenes Zuhause. Diese Beschreibung passt auf Serge Meier, 35. Mit 15 zieht er von zu Hause aus. Es funktioniert einfach nicht zwischen ihm und der Mutter. Die Eltern waren schon immer getrennt.

Zuerst lebt er bei den Grosseltern in einem Vorort von Basel. Nach der Matura beginnt er ein Wirtschaftsstudium. Bald bricht er ab. Insgesamt fängt er viermal ein neues Fach an und hört wieder auf. Meier ist manisch-depressiv.

In guten Zeiten lernt er sogar nachts, in schlechten starrt er auch tagsüber nur an die Decke. Das Geld kommt von der Familie und vom Staat, zuerst Stipendien, dann Sozialhilfe. Meier jobbt immer wieder, er verkauft Elektronikgeräte und verteilt Werbematerial. Als er wegen Renovationsarbeiten aus seiner Einzimmerwohnung fliegt, beginnt sein Leben auf Sofas von befreundeten Wohngemeinschaften. Seit einiger Zeit hat er eine Freundin.

Er wohnt gerade bei ihr. Etwa drei Viertel der Postfachnutzer im Schwarzen Peter sind den Behörden bekannt, sie erhalten Geld von der Sozialhilfe oder der Invalidenversicherung. Wie kann es sein, dass diese Menschen trotzdem ohne Wohnung dastehen? Rudolf Illes, der Leiter der Sozialhilfe Basel-Stadt, sitzt in einem schnörkellosen grauen Büroturm, sein Blick reicht über die Dächer der Stadt. Wohnungslosigkeit, sagt er, sei fast immer ein Zusammenspiel mehrerer Ereignisse und Umstände, gesellschaftlicher und persönlicher Art: Der Druck auf dem Arbeitsmarkt sei ein Beispiel, Alkohol- und Drogensucht ein anderes. Eine Beobachtung, die Illes seit einiger Zeit macht: Die Zahl der Menschen, die wegen einer psychischen Krankheit Sozialhilfe beziehen, nehme zu.

Dazu komme eine gewichtige Entwicklung: «Es hat zu wenig günstigen Wohnraum», sagt er. «Nach einer Trennung, einem Jobverlust oder einer schweren Depression können sich manche Menschen ihre bisherige Wohnung nicht mehr leisten. Sie haben grosse Mühe, etwas Günstigeres zu finden.» Die Sozialhilfe kann in solchen Fällen nur vermitteln, sie gibt den Hausbesitzern zum Beispiel schriftliche Garantien, dass sie die Miete direkt bezahlt. Und sie hat einen Verein damit beauftragt, den Menschen bei der Wohnungssuche zu helfen.

Eine Wohnung finden, das muss am Ende aber jeder selber. Bruno Häberli übernachtet mittlerweile seit fast drei Monaten in der Notschlafstelle. Doch die Geschichte beginnt eigentlich viel früher, vor weit über 20 Jahren in den Bündner Bergen. Häberli, Absolvent der Hotelfachschule in Lausanne, führt dort ein Hotel, nicht sein erstes, als die Besitzer Konkurs anmelden. Der Hotelier verliert die Stelle.

Er kommt zurück in seine Heimat, nach Basel, «ich brauchte eine Pause», sagt er und nennt es «Burnout». Den Tritt im Hotelgeschäft findet er nie mehr. Dafür lernt er in einem Park seine Weggefährtin kennen, rund 20 Jahre älter, sie führt einen Antiquitätenhandel. Häberli hilft, wo er kann, dafür darf er bei ihr wohnen. Sie ergänzen sich gut, «eine platonische Liebe», sagt er. Um bürokratische Formalitäten wie das Mietverhältnis kümmert er sich nicht. Bis die Freundin, mittlerweile 87, am 19. November 2017 stirbt.

Niemand kennt die genauen Zahlen
Bis dahin wussten die Behörden nichts von Bruno Häberli, er vermied es, sich Hilfe zu holen. Er lebte zwar schon lange nicht mehr in einer eigenen Wohnung, aber das bekam niemand mit.

Viele Menschen, die ihre Wohnung verlieren, verhalten sich ähnlich, sie versuchen, irgendwie eine eigene Lösung zu finden, sie schlittern langsam in die Katastrophe. Das ist ein Grund, weshalb niemand genau weiss, wie viele Menschen in der Schweiz obdachlos sind oder zumindest ohne eigene Wohnung leben. Ein anderer Grund ist, dass es keine umfassenden Statistiken gibt. Das wollen Matthias Drilling und Jörg Dittmann ändern. Sie sitzen vor einer Excel-Tabelle, es ist der Einsatzplan für ihr nächstes grosses Projekt.

Die Professoren am Institut für Sozialplanung und Stadtentwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz haben vor, in Basel die erste umfassende Statistik über wohnungslose Menschen zu erstellen. Bis zu 40 Interviewer schicken sie im März los, diese sollen in allen Anlaufstellen und ausgewählten öffentlichen Räumen die Menschen befragen. Die Sozialhilfe Basel finanziert das Projekt mit. Für das Forscherduo ist das erst der Anfang. Sie haben sich einer europäischen Forschergruppe angeschlossen, die erstmals die Obdachlosen in ganz Europa erfassen möchte.

Bis jetzt gibt es nämlich weder verlässliche noch international vergleichbare Zahlen. Hinter dem Forschungsprojekt stehe eine sozialpolitische These, sagt Matthias Drilling, «nämlich, dass die Länder gar nicht wissen wollen, wie viele Obdachlose es gibt». Solange das Problem nicht mengenmässig benannt werde, müsse es die Politik auch nicht lösen. Die Forscher wollen die Erfassung in der Schweiz durchführen. Das wird nicht einfach, auch, weil die Obdachlosigkeit in der Schweiz eine andere ist als anderswo, eben vielmehr eine Wohnungslosigkeit, die die Menschen möglichst gut verstecken.

«In Metropolen wie Berlin, Brüssel oder Paris traut man sich heute, seine Armut auf der Strasse zu leben», sagt Drilling. Hierzulande werde sich die Strassenobdachlosigkeit kaum je so zeigen. «In der Schweiz geht es vielmehr um unsichere Wohnsituationen, um Menschen, die ständig gefährdet sind, wegen Sanierung oder Kündigung aus ihrer Wohnung zu fliegen.» Wenige blieben für immer wohnungslos. «Die Betroffenen nutzen aber auch hier die gleichen Wege wie anderswo in Europa: Sie übernachten auf dem Campingplatz, schlafen im Auto oder auf dem Sofa bei Freunden oder Fremden, die die Fage ausnutzen und dafür horrende Preise verlangen», sagt Drilling.

Bis jetzt gibt es in der Schweiz bloss zwei Arten, wohnungslose Menschen zu erfassen. Die erste, umfassendste, ist nur in Basel, beim Schwarzen Peter, möglich: Man zählt die Personen, die das Postfach nutzen, weil sie keine fixe eigene Adresse mehr haben. Der Verein betreibt die Meldeadresse offiziell im Auftrag der Stadt Basel. Das ist schweizweit einzigartig. Auch, weil viele Städte und Gemeinden fürchten, dass sie mit so einem Angebot Randständige anziehen würden.

Die zweite Art ist, nur die Personen zu zählen, die eine Notschlafstelle aufsuchen - und damit die verdeckten Wohnungslosen auf den fremden Sofas auszublenden. Die Zahlen der staatlich finanzierten Notschlafstellen lassen darauf schliessen, dass es überhaupt kein Problem gibt. In der Stadt Zürich zum Beispiel Wer sich im Pfuusbus durchfragt, hört auch die Erzählung von Lebensläufen, die am Anfang tönen wie Tausende andere auch. werden seit 2014 jedes Jahr weniger Übernachtungen registriert. Die Hochphase der Obdachlosigkeit sei hier längstens vorbei, sagt Kaspar Niederberger, Bereichsleiter Wohnen und Obdach der Stadt Zürich.

Die Stadt mache heute viel für Bewohner, die ihre Wohnung verlören und in Not gerieten, sagt er und zählt auf: subventionierte Wohnungen, Notschlafstellen, begleitete Wohnplätze für Suchtkranke, betreute Jugendwohngruppen oder Notwohnungen für Familien. Wer das städtische Angebot nicht nutzen wolle, den könne man nicht dazu zwingen, sagt er. Ganz anders tönt es bei den privaten Einrichtungen. Viele private Organisationen -Mittagstische, Aufenthaltsräume oder Notunterkünfte - berichten von steigender Nachfrage. Bei ihnen gelten oft weniger strenge Regeln, sie sind günstiger oder sogar gratis.

In Genf baut die Heilsarmee eine neue Unterkunft mit 90 Plätzen, weil man jeden Tag etwa 15 Personen abweisen müsse. In Zug, einem Kanton, in dem es offiziell keine Obdachlosen gibt, eröffnen Private in diesen Tagen eine erste Wohnung für Obdachlose. Die beiden Gassenarbeiterinnen des Kantons hatten Private darauf hingewiesen, dass es mindestens ein Dutzend Personen gebe, die ohne festen Wohnsitz in Zug lebten. Bei der kirchlichen Gassenarbeit Bern heisst es, man verteile mehr Schlafsäcke und Gutscheine für Notunterkünfte.

Jeder Millimeter ist belegt
Auch zur wohl bekanntesten Obdachloseninstitution der Schweiz, zu den Sozialwerken Pfarrer Sieber in Zürich, dürfen alle kommen, auch Obdachlose aus anderen Gemeinden und Kantonen oder Drogensüchtige.

Sozialarbeitern! Monika Christen öffnet die Tür zum Pfuusbus. Es ist kurz vor 19 Uhr, bald kommen die ersten Männer und Frauen und reservieren sich eine der 68 Zentimeter schmalen Matratzen. Christen hofft, dass sie niemanden abweisen muss. In dieser Woche zählte sie 52 Personen - pro Nacht. Das sind 10 mehr als zu bisherigen Spitzenzeiten.

Man beherberge so viele Menschen wie nie zuvor: Dieses Jahr komme man bereits Mitte Februar auf 3600 Übernachtungen - das sind so viele wie im ganzen Winter 2015/16. Jeder Millimeter des Bodens ist mit den Matratzen belegt, auch dort, wo normalerweise ein Durchgang ist. «Wir spüren, dass der Flughafen Zürich seit letztem Herbst nachts keine Besucher mehr duldet», sagt Christen. Doch das allein erkläre den Anstieg nicht. «Immer mehr Leute finden in Zürich keine Wohnung mehr», sagt auch sie.

Auch hier, im Auffangbecken für Randständige, ist augenfällig, dass zunehmend Menschen, die eben noch im System drin waren, ihr Zuhause verlieren. Wer sich nämlich im Pfuusbus durchfragt, hört nicht nur Geschichten von Drogenkarrieren und Langzeitobdachlosen. Sondern auch die Erzählung von Lebensläufen, die am Anfang tönen wie Tausende andere auch - bis der erste Bruch kommt. Michael Kümmerlin, 42, trägt einen Lacoste-Pullover und eine Schirmmütze. Sein Beruf ist Polier, bis vor kurzem leitete er noch Baustellen-Teams, er ist Vater zweier Söhne.

Am Anfang seiner Geschichte steht eine Trennung, kurz danach kommt der Magenkrebs. Irgendwann verliert er seine Wohnung, das Krankentaggeld habe nicht mehr für die Alimente und seine eigenen Fixkosten gereicht, sagt er. Es folgen Nächte auf den Sofas von Bekannten und Verwandten. Im letzten Herbst verlässt er seine Heimat in der Zentralschweiz und kommt nach Zürich. Hier schläft er zuerst draussen, seit November im Pfuusbus.

Im Frühling, sobald er wieder ganz gesund sei, plane er, zu seinem alten Arbeitgeber auf die Baustelle zurückzukehren. Für Bruno Häberli, den ehemaligen Hotelier aus Basel, ist das Provisorium in der Notschlafstelle nun zu Ende. Er hat, mit Unterstützung der Sozialhilfe, ein Zimmer gefunden. In ein paar Tagen kann er einziehen. Als die Nachricht eintrifft, lässt er sich die Haare schneiden und rasiert den Dreitagebart.

«Eine Wiedergeburt», sagt er. Der Pfuiisbus der Sozialwerke Pfarrer Sieber am Zürcher Albisgütli. Armut oder 570 000 Personen lebten 2015 in der Schweiz unter der Armutsgrenze. 2239 F, Eine Einzelperson, die weniger als diesen Betrag für den Lebensunterhalt zur Verfügung hat, gilt hierzulande als arm. 3984f, Eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern unter 14, die weniger als diesen Betrag für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung hat, gilt hierzulande als arm.

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Quelle: NZZ am Sonntag (18.02.2018)

Publiziert am
19.2.2018