Schrittweise zurück in die Selbstständigkeit

Schrittweise zurück in die Selbstständigkeit

© Lizenzfrei

Seit gut 100 Tagen leitet Urs Meier erstmals die Einrichtung das Männerwohnheim Hasenberg in Waldkirch.

«Bisher habe ich einen sehr guten Eindruck. Ich habe einen Kader und Mitarbeiterstab voller Tatendrang angetroffen», erklärt Urs Meier, der am 1. September die Leitung im Hasenberg von Othmar Wyss übernommen hat. Die von der Heilsarmee betriebenen Wohn- und Werkstätten bieten rund 40 Männern mit psychischen Beeinträchtigungen Wohnraum und Arbeitsplatz, wobei auch IV-Rentner, die selbstständig wohnen, das Tagesstrukturangebot nutzen können. «Die psychischen Krankheiten gehen fast immer mit einer Suchtproblematik einher, wobei bei unseren Bewohnern meist der Alkohol im Zentrum der Sucht steht oder stand», erklärt Meier ohne Umschweife. Einige seien trocken, andere erlitten immer mal wieder Rückfälle. «Unser Ziel ist es, die Männer in ein Leben zu führen, das auch ohne Alkohol lebenswert ist. Aber es ist uns bewusst, dass es sich dabei meist um einen langen Weg handelt», so Meier. Dass sich zwischendurch ein Klient ins Dorf aufmache, um sich mit Alkohol zu versorgen, könnten sie nicht verhindern. Viele der Bewohner hätten schliesslich schon Aufenthalte in Kliniken und anderen stationären Einrichtungen hinter sich und seien teilweise mehrfach aus den Programmen gefallen. Im Hasenberg wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Neue Wohnformen geplant
Um den Bewohnern den Weg zurück in die Selbstständigkeit zu ermöglichen, bietet der Hasenberg ab 2019 neue flexible und durchlässige Wohnformen. «Im Januar wird die erste Person in eine interne Wohnung, die später zu einer Wohngemeinschaft werden soll, ziehen, in der er selbst für das Morgen- und Abendessen sowie für die Reinigung zuständig ist. Sollte er erfolgreich sein, kann er später in ein Studio, das zusätzliche Autonomie bietet, aber immer noch auf unserem Gelände liegt, umziehen», erklärt Meier. Eine individuelle Anschlusslösung könne später eine externe Wohnung ausserhalb des Hasenbergs sein. «In eine etwas urbanere Umgebung», wie der 46-jährige Leiter erklärt. «Unsere Mitarbeiter bringen die beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen mit, um gemeinsam mit den Bewohnern einen Perspektivenwechsel professionell zu fördern», erklärt Meier, der selbst die Ausbildung zum Sozialarbeiter gemacht und zuletzt einen Master in Sozialmanagement erworben hat. Der gelernte Hochbauzeichner und Diakon ist zuversichtlich, mit dieser Veränderung des Wohnangebots den komplexer werdenden psychischen Beeinträchtigungen gerecht zu werden und den Klienten bessere Chancen auf eine Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Kein Zwang zum Glaube
Die Religion spielt in dieser Hinsicht eine untergeordnete Rolle, auch wenn das Heim seit 1934 von der Stiftung der Heilsarmee Schweiz betrieben wird. «Es gibt einen wöchentlichen Gottesdienst und einen Seelsorger, der eine Gruppenstunde anbietet, aber wer nicht gläubig ist und auch nicht sein will, wird weder ausgegrenzt, noch wird ihm etwas aufgezwungen», erklärt Meier. Aktuell würden beispielsweise sieben Männer an der Seelsorgestunde teilnehmen, die grosse Mehrheit also nicht. Das Heim sei weltlich geführt, was es auch sein müsse, schliesslich habe man eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton, der für die Finanzierung aufkommt, aber auch die Betriebsbewilligung erteilt, welche von der Erfüllung eines Leistungskatalogs abhängt. Die Bewohner leisten eine Eigenbeteiligung, wobei die meisten eine IV-Rente beziehen und einen Beistand haben. Dass der Hasenberg nach wie vor nur Männern offenstehe, habe in erster Linie praktische Gründe. «Unter den alkoholkranken Menschen sind neun von zehn Männer. Und die Erfahrungen mit geschlechtergetrennten Häusern sind gar nicht schlecht», erklärt Meier, der in seiner Ausbildung zum Diakon schon einmal in einem Männerhaus tätig war.

Brennholz als Renner
«Bezüglich Gemüse und Salaten sind wir Selbstversorger und können bei guter Ernte sogar noch den Dorfladen von Waldkirch beliefern. Unser Verkaufsschlager ist sicherlich das Brennholz», erklärt der Institutionsleiter. «Wir verarbeiten im Jahr 400 Tonnen Buchenholz aus der Region zu Brennholz», weiss Markus Plüss, Bereichsleiter Tagesstrukturen. In der Schreinerei würden ausserdem 13'000 Paletten pro Jahr aus Fichtenholz hergestellt. Neben Montagearbeiten würden auch Verpackungsaufträge ganz verschiedener Unternehmen erfüllt. «Dank dem guten Ruf eines zuverlässigen Betriebs dürfen wir auf eine grosse Kundschaft zählen. Das soll natürlich auch in Zukunft so bleiben», stellt Meier klar.

 

bla

Autor
Quelle: St. Galler Nachrichten (28.12.2018)

Publiziert am
28.12.2018