Solidarität ist kein Delikt

Solidarität ist kein Delikt

Die Heilsarmee setzt sich dafür ein, dass Nächstenliebe nicht bestraft wird.

Nach der Verschärfung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer im Jahr 2008 macht sich strafbar, wer einer Person hilft, die sich ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz aufhält. Dieses Gesetz zählt auch dann, wann sich die Person in der Not befindet und man ihr aus Nächstenliebe helfen möchte. Ein Paradebeispiel für diese Ungerechtigkeit ist die Verurteilung von Pfarrer Norbert Valley, Ex-Präsident des Réseau évangélique suisse, dem Westschweizer Teil der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA-RES). Am 8. November überprüft die Staatspolitische Kommission des Nationalrates eine parlamentarische Initiative, in der eine Revision des Gesetzes angestrebt wird. Auch die Heilsarmee fordert die Parlamentarier auf, dieses ungerechte Gesetz zu ändern.

Artikel 116 des Ausländer- und Integrationsgesetzes verlangt eine Bestrafung von Personen, die «im In- oder Ausland einer Ausländerin oder einem Ausländer die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert». Während das Gesetz in geringfügigen Fällen eine Busse vorsieht, erwartet Personen, die zu ihrer unrechtmässigen Bereicherung oder innerhalb einer kriminellen Organisation gegen das Gesetz verstossen, eine schwere Strafe von bis zu 5 Jahren Gefängnis. Jedes Jahr werden etwa 800 Personen auf Grundlage dieses Artikels verurteilt, ohne dass bekannt ist, ob sie aus humanitären Gründen handelten oder ob sie als Menschenhändler einen finanziellen Vorteil anstrebten.

Verschärfung des Gesetzes gegen den Menschenhandel im Jahr 2008
Vor der Verabschiedung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer, über das im Jahr 2008 abgestimmt wurde, enthielt das Bundesgesetz über den Aufenthalt und die Niederlassung der Ausländer (ANAG) eine Bestimmung, wonach die Hilfe bei ehrenhaften Motiven nicht strafbar ist (Art. 23 Abs. 3 ANAG). Das Hauptziel dieser Klausel war es, einerseits Schmuggler und Verbrecherringe zu erfassen und andererseits diejenigen zu schützen, die einfach einem anderen Menschen zu Hilfe geeilt sind. Aber seit 2008 gehört die Schweizer Gesetzgebung zu einer der strengsten in Europa, die nicht mehr nur Menschenhändler verurteilt, sondern auch die «guten Samariter», die ihrem Nächsten in Not helfen wollen. Damit verfehlt dieses Gesetz sein prioritäres Ziel, nämlich den Menschenschmuggel zu bekämpfen.

Zwei exemplarische Beispiele
Norbert Valley, Pfarrer einer evangelischen Kirchen in Le Locle, wurde im August 2018 von der Staatsanwaltschaft des Kantons Neunburg zu einer Geldstrafe von 1'000 Franken zuzüglich 250 Franken Verfahrenskosten verurteilt, weil er einem Mann aus Togo den «unrechtmässigen Aufenthalt erleichtert» hatte. Dieser Mann, den er begleitete und der ihm zu einem Freund geworden war, befand sich in einer schweren Notlage und hatte Suizidgedanken. Der Pfarrer gab dem Ausländer die Schlüssel für eine unbewohnte Wohnung der Kirche in Le Locle und ausserdem etwas Geld zur Unterstützung. Sein Rekurs vor Gericht läuft noch.

Alain Guillez wurde am 18. Mai 2017 durch die strafrechtliche Anordnung der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg verurteilt, weil er sein Sofa zwei Nächte einer Person mit illegalem Aufenthaltsstatus zur Verfügung gestellt hatte. Als Katholik glaubte er, dass es seine Pflicht ist, Menschen in Not zu helfen und er war bereit, diese Pflicht wahrzunehmen. Es gibt noch weitere bekannte Fälle, doch auch sie sind wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges.

Stellungnahme der evangelischen Kirchen
Die Schweizerische Evangelische Allianz, die Heilsarmee und der Verband Evangelischer Freikirchen und Gemeinden (VFG) fordern gemeinsam eine Revision des Artikel 116 AIG. Die uneigennützige Hilfe für Menschen, die auf Schweizer Boden in Not sind, darf nicht bestraft werden. Das aktuelle Gesetz führt zu ungerechten Strafen, die der humanitären Tradition der Schweiz und Werten wie Solidarität und Nächstenliebe widersprechen. Die oben angeführten Verbände fordern die Mitglieder der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates deshalb auf, die von Frau Lisa Mazzone eingereichte parlamentarische Initiative weiterzuverfolgen.

Kontakt
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www.christian-public-affairs.org
paul.mori@heilsarmee.ch
christine.volet@heilsarmee.ch

 

Autor
CPA – Christian Public Affairs

Publiziert am
31.10.2019