Unruhen, Bildung als Hoffnung und dynamische Problemlösungen für Haiti

Unruhen, Bildung als Hoffnung und dynamische Problemlösungen für Haiti

Ausgerüstet für hiesige Verhältnisse: Trotz kalten Temperaturen laufen die Gespräche heiss. / Équipé pour les conditions locales : Malgré les températures froides, les conversations vont bon train.
Ausgerüstet für hiesige Verhältnisse: Trotz kalten Temperaturen laufen die Gespräche heiss. / Équipé pour les conditions locales : Malgré les températures froides, les conversations vont bon train.
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Ein Besuch der Heilsarmee-Delegation aus Haiti. Und was Benzin mit Schulen oder unsere Büroarbeit mit einem Militärputsch zu tun hat.

"Das grösste Problem zurzeit ist, dass man sich nicht frei bewegen kann, auch nicht während dem Tag. Es gibt immer gewisse Orte, die von Gangs beherrscht werden und dadurch sehr gefährlich sind. Und diese Zonen können dauern ändern", sagt Kapitän Charles Chavannes. Er ist Teil einer sechsköpfigen Delegation der Heilsarmee aus Haiti, welche zwischen dem 05. und dem 17. Januar die Heilsarmee in der Schweiz besucht haben. Dabei ging es um die Projektarbeit der Heilsarmee in Haiti und die Unterstützung der Heilsarmee Schweiz, welche durch die Internationale Entwicklung beispielsweise ein grosses Schulprogramm in Haiti mitfinanziert.

Extremsituationen und Umwege

Sie alle waren das erste Mal in der Schweiz, ja sogar in Europa. Haiti durchlebt schwierige Zeiten, daher war ein Treffen vor Ort nicht möglich. So kam der Besuch hier zustande und wurde auch gleich noch auf andere Territorien ausgeweitet, mit denen die Heilsarmee Schweiz bei internationalen Projekten zusammenarbeitet. Vertreter aus den USA und Norwegen waren ebenfalls zu Besuch, da auch sie Projekte in Haiti unterhalten.

"Wissen Sie", sagt Kapitän Chavannes weiter, "die Haitianer kennen diese Situation leider. Wir sind es uns aus der Vergangenheit gewohnt. Aber im Moment ist es wirklich schwieriger als sonst. Vieles kam zusammen, auch politisch." 2021 wurde beispielsweise der Präsident Haitis ermordet.

Das ganze System sei "heikel" im Moment, meint Blaise Webster, Projektverantwortlicher der Heilsarmee in Haiti. "Um die Projekte zu besuchen, müssen wir manchmal mit dem Auto nach Norden und dann ein Flugzeug in den Süden besteigen, weil die einzige Strasse von der Hauptstadt Port-au-Prince in Richtung Süden von Gangs kontrolliert wird." Dies führt natürlich zu Folgeproblemen und steigenden Projektkosten. Auch um diese Themen besprechen zu können, wurden die Gäste in die Schweiz eingeladen. Die ständigen Preiserhöhungen bei Gütern des täglichen Lebens oder für Benzin erschweren die Arbeit der Heilsarmee vor Ort zusätzlich in enormem Ausmass.  

Nur ein möglicher Ausgang aus der Armut

Ich habe Jean Murat gefragt, wie die lokale Bevölkerung denn die Hoffnung in solch turbulenten Zeiten aufrecht halten kann. Jean ist Bildungsexperte der Heilsarmee in Haiti und betreut unter anderem auch das erwähnte Schulprogramm. "Bildung gibt den Menschen Hoffnung. Die Bevölkerung weiss, dass dies der einzige Weg in Haiti ist, aus einer Negativspirale zu kommen. Die Eltern sagen bereits den Kindern, dass Bildung die einzige Möglichkeit auf ein besseres Leben in Haiti ist. Daher setzen wir auch das grosse Schulprogramm um." Die Heilsarmee in Haiti unterhält 45 Schulen für rund 10'000 Kinder. Durch die Internationale Entwicklung unterstützt die Heilsarmee Schweiz über 20 dieser Schulen für 5'000 Kinder finanziell.

Immerhin sind seit November 2022 die Schulen wieder geöffnet. Vorher mussten die Schulen nicht nur wegen den Unruhen oder der Pandemie geschlossen werden, sondern auch beispielsweise, weil die Lehrer kein Benzin mehr für ihre Fahrzeuge bekommen und so den Arbeitsweg zu den Schulen nicht absolvieren konnten. "Doch die Haitianer mögen die Schule, also wollen wir alles tun, damit wir die Kinder in die Schule schicken können. Wir nehmen sehr viel Aufwand in Kauf", meint Kapitän Chavannes.

Erster Schneefall unter Partnern

Was sie sich denn für den Besuch in der Schweiz vorgenommen haben, möchte ich wissen. "Natürlich würden wir gerne etwas von diesem wunderschönen Land sehen. Vielleicht ergibt sich ja noch etwas, wir haben an den Wochenenden eventuell Zeit. Aber wir sind natürlich in erster Linie für die Arbeit hier. Die Schweiz ist für Haiti ein unverzichtbarer Partner. Die Zusammenarbeit ist historisch gewachsen und hält bereits seit über 50 Jahren. Die Hilfe und Unterstützung der Schweiz in Haiti ist gut sichtbar! Wir sind stolz und auch demütig, hier sein zu dürfen." Jean ergänzt, dass es für sie "auch eine grosse Chance ist, die internationale Heilsarmee besser kennenzulernen." Rose Rocksande, die einzige Frau der Delegation, strahlt. Denn draussen hat Schneefall eingesetzt. "Wir haben noch nie Schnee gesehen, so etwas haben wir in Haiti nicht. Dafür ist es bei uns nicht so kalt", sagt sie und lacht. Und natürlich wollen sie auch Schokolade naschen und Käse essen.

Wenn in Brasilien oder Myanmar das Militär putscht…

Manchmal werde ich gefragt, was man im Berufsfeld der Entwicklungszusammenarbeit eigentlich macht. Nun, es gehört zu unseren Aufgaben, auch solche Probleme möglichst schnell, für alle Beteiligten sicher und pragmatisch zu lösen. Dynamische Anpassungen unserer Arbeit und Pläne gehören da manchmal schon fast zur Tagesordnung. Doch glücklicherweise bleibt Haiti zurzeit eine Ausnahme, abgesehen vom Militärputsch in Mynamar, wo die Internationale Entwicklung der Heilsarmee Schweiz ebenfalls Projekte unterstützt. Oder Simbabwe, wo die Inflation schwindelerregende Höhen angenommen hat. Oder in Brasilien, wo gerade das Militär einen Putschversuch unternommen hat. Oder in Kenia, wo gerade eine jahrelange Dürre herrscht…

Es bleibt somit genug zu tun.

Autor
Internationale Entwicklung

Publiziert am
18.1.2023