Wie wirkt sich die Arbeit der Heilsarmee auf ihre Zielgruppen aus?

Wie wirkt sich die Arbeit der Heilsarmee auf ihre Zielgruppen aus?

© Lukas Flückiger / Lizenzfrei

An der Führungsschulung 2020 des Sozialwerks wurde die Wirkungsmessung vorgestellt.

Das umfangreichste Thema, mit dem sich die diesjährige Führungsschulung des Sozialwerks beschäftigte, war die Wirkungsmessung. Projektleiter Michel Sterckx präsentierte das neue Modell, das vom Projektteam Wirkung in einer rund einjährigen Vorarbeit erstellt wurde.

Ein Ereignis mit Wirkung
Mit einer einleitenden Übung holte der Projektleiter den Begriff „Wirkungsmessung“ aus dem Bereich des Abstrakten heraus. Er stellte allen Anwesenden die Frage: „Welches war das prägendste Ereignis, das Sie 2019 erlebt haben?“ Und weiter: „Wie hat dieses Ereignis auf Sie gewirkt? Was hat es ausgelöst? Hat es die Art und Weise beeinflusst, wie Sie nun fühlen, denken oder sprechen? Und wenn ja – wie lange hat diese Veränderung angehalten? Einen Tag lang, einen Monat oder immer noch?“

Diese praktischen Überlegungen aus dem persönlichen Umfeld erleichterten den Einstieg ins Thema. Nun konnte der Projektleiter das Wirkungsmodell vorstellen, welches „die Arbeit, die Strategie, die Kernkompetenz und die künftige Stossrichtung der Heilsarmee widerspiegelt“. Mit der Führungsschulung sei der Zeitpunkt gekommen, so Sterckx, das Modell von den Führungskräften des Sozialwerks auf Praxistauglichkeit hin zu testen.

Elisabeth Bauer, die zugezogene externe Expertin für betriebswirtschaftliche Beratung von Non-Profit-Organisationen, setzte voraus: „Bereits erzielen Sie schon viel Wirkung an Ihren Standorten. Dies ist Ihnen jedoch meist nicht bewusst, da Sie bisher die Informationen zur Wirkungsmessung nicht systematisch gesammelt haben.“

Suppenzmittag – ein Beispiel
Wie aber kann Wirkung überhaupt gemessen werden? Ausschlaggebend sind fünf Schritte der Wirkungsmessung. Wie sehen diese aus am Beispiel eines Standorts der Heilsarmee, das einmal wöchentlich einen Suppenzmittag anbietet? Was für Veränderungen entstehen bei der Zielgruppe?

  1. Input: Der Standort verfügt über die erforderlichen Ressourcen (Küche, Lebensmittel, Tische, Töpfe, Geschirr) sowie über genügend freiwillige Helferinnen und Helfer. Der Dienst finanziert sich aus Spenden der Heilsarmee und Zuschüssen der Gemeinde. Zielgruppe sind einkommensschwache und von Einsamkeit betroffene Personen. Der Input misst die Voraussetzungen, unter denen der Suppenzmittag realisiert werden kann.
  2. Throughput: Einmal wöchentlich wird eingekauft, Brot gebacken und Suppe gekocht. Vor dem Essen hält ein Standort-Mitarbeiter eine kleine Andacht und spricht ein Gebet. Während der Mahlzeit stehen weitere Mitarbeiter zur Verfügung, die offene Ohren für allfällige Anliegen der Gäste haben. Auch sorgen sie dafür, dass eine von Annahme und Freundlichkeit geprägte Atmosphäre herrscht. Der Throughput erfasst die eigentlichen Aktivitäten sowie die Qualität, in der sie ausgeführt werden.
  3. Output: Rund 30 Personen verlassen den Zmittag jeweils zufrieden. Die warme Mahlzeit und das Zusammensein werden geschätzt. Zwei ausländische Familien, die einem Mitarbeiter ihre Sorgen erzählt haben, erfahren, dass die Heilsarmee am Ort auch eine Sozialberatung führt. Der Output misst den unmittelbaren Nutzen des Angebots.
  4. Outcome: Die wöchentlichen Treffen entwickeln sich zu einem Fixpunkt im Alltag einiger Teilnehmer. Zu beobachten ist, dass zuvor von Einsamkeit betroffene Personen Freundschaften untereinander schliessen und sich bis in den Nachmittag hinein am Standort aufhalten, um zu plaudern und Kaffee zu trinken. Einige erkundigen sich, ob der Standort beim Abräumen Hilfe benötigt, was in der Tat willkommen ist. Bereits schon konnte die Sozialberatung mit den beiden Familien Strategien erarbeiten, die aus der aktuellen Krise führen. Ein arbeitsloser junger Erwachsener, der sich für den Glauben interessiert, hat Anschluss an eine Jugendgruppe der lokalen Heilsarmee gefunden und kifft nicht mehr. Zwei Senioreninnen helfen einer alleinerziehenden Mutter bei der Betreuung ihrer Kleinkinder. Die Frau kann nun stundenweise im Kiosk arbeiten kann und die Finanzlage der Familie hat sich gebessert. Unter Outcome versteht man eine Verbesserung der Lebenslage und der Fähigkeiten innerhalb der Mitglieder einer Zielgruppe.
  5. Impact: Die anregende Wirkung des Treffs beginnt sich im Quartier herumzusprechen. Immer mehr einsame Personen stossen dazu. Es entsteht Nachbarschaftshilfe, weil stärkere Teilnehmer die schwächeren an den Treff begleiten. Der Impact beschreibt die Wirkung auf gesellschaftlicher Ebene.

Schnell wird klar: Die Inhalte variieren je nach Standort, Angebot und Zielgruppe. Dies macht es notwendig, dass jeder einzelne Standort sein eigenes massgeschneidertes Wirkungsmodell erarbeitet. In Vorträgen und vor allem in der Gruppenarbeit konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Führungsschulung das allgemeine Wirkungsmodell auf die Gegebenheiten ihres Standorts herunterbrechen. Den Institutionen sollen ein Handbuch und eine App zur Verfügung gestellt werden, damit sie die Messungen vornehmen können.

Heilsarmee leistet Pionierarbeit
Durch die Anwendung des Modells ergeben sich aber noch mehr Wirkungskreise, die sich auch gegenseitig beeinflussen:

  • Wirkung beim Standort: Durch die systematische Erfassung der Daten lernt der Standort dazu: Was hat sich bewährt? Was muss geändert werden? Durch den Austausch mit anderen Standorten können diese auch voneinander lernen. Dies wiederum beeinflusst den Input.
  • Wirkung bei den Mitarbeitenden: Die positive Wirkung unserer Angebote auf die Klienten und die Gesellschaft trägt dazu bei, dass die Heilsarmee als Arbeitgeber gefragt ist. Die Organisation kann gutes und qualifiziertes Personal einstellen, das ihre Mission mitträgt, was wiederum einen Einfluss auf die Gesellschaft hat.
  • Wirkung bei der Heilsarmee: Die Erkenntnisse beeinflussen die Ausrichtung, die Strategie und letztlich auch die Vision der Gesamtorganisation. Laufend optimierte Angebote führen zu einer verbesserten Zusammenarbeit mit den Behörden und zu einer Zunahme des Spendenvolumens, was sich wiederum positiv auf die Angebote auswirkt.

Die Wirkungsmessung soll nun am Pilotprojekt Wohnen innerhalb des Sozialwerks eingeführt werden. Elisabeth Bauer attestierte der Heilsarmee, dass sie innerhalb der Organisationen mit vergleichbarer Komplexität Pionierarbeit leistet. „Die Wirkungsmessung ist ein neues Instrument, das sich in der Entwicklung befindet und in vielen Bereichen eingeführt werden wird: Wer Geld bekommt, muss Wirkung nachweisen können.“ Diese Aussage bestätigte auch Michel Sterckx: „In wenigen Jahren werden die Leistungspartner Wirkungsmessung einfordern. Dann sind wir schon bereit!“

Autor
Livia Hofer

Publiziert am
10.2.2020