Es ist die Liebe, die Menschen ruft

Es ist die Liebe, die Menschen ruft

Während 20 Jahren hat Wiesiek in einem improvisierten Zelt am Flussrand gelebt. Heute geht er einer Arbeit nach, hat ein Zimmer und ist Mitglied der Heilsarmee.
Während 20 Jahren hat Wiesiek in einem improvisierten Zelt am Flussrand gelebt. Heute geht er einer Arbeit nach, hat ein Zimmer und ist Mitglied der Heilsarmee.
© Gabrielle Głodek / Lizenzfrei

Wie wertvoll ist Jesu Heilsbotschaft und mit wieviel Freude sollten wir sie zu den Menschen bringen!

Evangelisieren klingt nach Pflichtübung und Frust. „Das ist nicht so meine Gabe“, höre ich oft sagen. Dabei geht es doch bloss darum, andere ganz natürlich mit der Liebe Jesu anzustecken und uns von Gott so brauchen zu lassen, wie wir sind.

Die Liebe begeistert
Als ich mich mit 25 Jahren bekehrte, wusste ich nur eins: Es gibt eine Antwort auf unsere Not, und die heisst Jesus. Ich kannte weder das Wort „Bekehrung“ noch wusste ich von Freikirchen. Aber was ich erkannt hatte, das konnte ich nicht für mich behalten. Ich kaufte einen alten Sprit-Umdrucker (eine Vervielfältigungsmaschine aus alten Zeiten) und produzierte Handblätter. Damit ging ich zur Tankstelle und erklärte jedem, der Benzin einfüllte, dass es auch für ihn eine Rettung gibt.

Wenn wir uns neu bewusst werden, welche Hammer-Botschaft wir haben, wird uns dies beflügeln, sie zu den Menschen zu bringen.

Die Liebe besticht
Jesus hat Menschen gerufen, ihre Fragen beantwortet, er hat gelehrt, gedient, gebetet, Wunder gewirkt, andere ausgesandt. Für ihn war evangelisieren die natürlichste Sache der Welt. Er hat nicht Programme gepredigt, sondern Liebe. Und diese ist der Schlüssel zu den Herzen.

Das habe ich das im Fall des drogensüchtigen Tomasz* erlebt: Auf der Strasse erzählte er mir seine Lebensgeschichte. Dann fragte ihn nach seinen Namen und versprach, für ihn zu beten. Eines Sonntags tauchte er tatsächlich im Korpssaal auf. Fröhlich begrüsste ich ihn - er aber brach in Tränen aus. Er war überwältigt, dass ich mich an seinen Namen erinnert hatte. An diesem Gottesdienst übergab er sein Leben Jesus Christus.

Die Menschen freuen sich so sehr, von anderen ernst- und wahrgenommen zu werden! Da sind bürgerliche Leute nicht anders als obdachlose. Und über unsere Liebe können sie Jesu Liebe erfühlen. Selbst Jesus konnte die meisten Pharisäer nicht im Argumenten überzeugen. Seine Liebe war es, die Sünder überführte.

Die Menschheit schreit nach Liebe. Wenn wir andere mit den Augen Jesu sehen, kann Gottes Liebe Zugang zu ihren Herzen finden.
 
Die Liebe berührt
Im Alltagstress kann es schwer sein, allen Menschen mit Liebe zu begegnen. Auch Jesus erlebte Hektik. So auch als ihn in der Volksmenge die blutfüssige Frau berührte. Er aber brauste nicht auf, sondern sprach ihr vollständige Heilung zu. Das tat er auch mit Bartmäus. Jesus zog sich zwar häufig zurück, um Kraft aus dem Gebet zu schöpfen (auch das gehört zum evangelisieren!). Aber wenn er mit jemandem zusammen war, widmete er ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit. 

Fünf Minuten wahre Anteilnahme können mehr bewegen als viele Stunden Krampf. Das bringt den Terminkalender nicht durcheinander, kann aber viel bewirken.

Die Liebe erduldet
Gott lässt sich von unseren Schwächen nicht aufhalten. Ich lebte noch in der Schweiz, als ein Mann mit mir über die Gleichwertigkeit aller Religionen diskutierten wollte. Dazu hatte ich weder Zeit noch Nerven. Ungeduldigt drückte ich ihm eine Einladung zum Gottesdienst in die Hand und verabschiedete mich. Schon bald tat mir meine Abfuhr leid. Aber wer kam am nächsten Gottesdienst in Tränen nach vorne und übergab sein Leben Jesus? Genau dieser Mann, den ich barsch abgewiesen hatte.

Gott weiss, warum und wofür er uns (und unsere Schwächen) einsetzt. Wir müssen uns bloss von ihm brauchen lassen.

Die Liebe scheut keinen Spott
Als Werkzeuge Jesu, müssen wir auch bereit sein, uns zum Narren zu machen. Ein liebes  Familienmitglied spottet gerne über mich, weil ich ihm vor 30 Jahren zur Hochzeit eine Bibel geschenkt hatte. Das tut mir weh. Eines Tages lud er uns zum Abendessen ein. Wieder riss er Witze über meine Frömmigkeit. Vor dem Essen höhnte er: „Willst du vielleicht beten?“ Ich war sprachlos. Da fragte er meinen Sohn: „Das ist lächerlich. Oder betest du etwa vor dem essen?“ Und mein Sohn sagte ganz ruhig: „Ja, das tue ich.“ Ich war beschämt und habe meine Lektion gelernt.

Jesus ist für uns gestorben, er hat sich verspotten und anspucken lassen. Da ist es nichts als natürlich, dass auch mal unser Ego einen Kratzer abkriegt.

Die Liebe erwartet alles
Zu Zeiten Jesu und der Apostel waren Heilungen und Befreiungen gewaltige Evangelisationstools. Im Korps Warschau haben wir schon mehrere wunderbare Krebsheilungen erlebt. Solches macht den Menschen Mut: Als ich früher den Kranken Gebet anbot, hörte ich oft sagen: „Ich weiss, dass Gott Wunder wirken kann, aber bei mir doch nicht.“ Heute bitten sie erwartungsvoll um Gebet: „Wenn Jesus den hier geheilt hat, hilft er vielleicht auch mir.“

Nur höchst selten verweigert jemand Gebet. Bieten wir frohgemut und zuversichtlich Gebet an. Erwarten wir alles von Jesus, denn es verlangt ihn, Menschen zu retten.

Die Liebe spricht Not an
Als Katholikin lernte die Bibel schon früh kennen. Ich wusste, dass Jesus für mich am Kreuz gestorben war. Das fand ich zwar nett aber ziemlich unnötig. Jesu Tod änderte ja nichts daran, dass ich die Gebote nicht halten konnte und somit stracks auf die Hölle zuging. Ich fand Gott schrecklich, und daran konnte auch Jesus nichts ändern. So sprach ich mich von Gott los. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch, ging es mir immer schlechter. Bis ich eines Tages folgendes las: Gott sei es nicht egal, dass ich verdammt würde und darum habe er Jesus gesandt. Dieser habe mit seinem Tod den Preis für meine Sünden bezahlt, er sei an meiner Stelle gestorben! Das war im wahrsten Sinne umwerfend. Ich riss die Bibel hervor. Tatsächlich, so stand es auch dort. Allein in meinem Wohnzimmer übergab ich Jesus mein Leben. Von da an wurde alles anders.

Ich rief all meine Bekannten an: „Wahnsinn: Jesus hat am Kreuz für deine Sünden gebüsst, wenn du das annimmst, kannst du gerettet werden!“ Ausgelacht hat mich interessanterweise niemand, denn ich sprach jedermanns Not an. Aber da war einer, der antwortete: „Ja, das weiss ich.“ Wie war das möglich? Wer hatte ihm das gesagt und warum hatte es mir keiner gesagt?

Worüber auch immer ich predige, immer erkläre ich irgendwann kurz den Weg der Errettung. Menschen verlassen uns, sterben, gehen andere Wege. Mindestens einmal sollen sie es gehört haben, um in der Stunde des letzten Kampfes den Namen des Heilandes anrufen zu können!

Viele Menschen wissen vom Kreuz, verstehen es aber nicht. Sie sehen keinen Sinn im Leben, weil sie die Antwort auf ihre Not nicht kennen? Ihnen gegenüber haben wir eine Bringschuld.

Die Liebe gibt nicht auf
Die meisten von uns sind feinfühlig und zurückhaltend. Nun wurde mir meine gute Erziehung fast zum Stolperstein, als ich vor ein Paar Jahren mit einigen Kameraden durch Ungarn reiste. Ich diskutierte mit einem älteren Herrn, der gebrochen Deutsch sprach, über den Glauben. Aber schon bald signalisierte er, dass er nun seine Ruhe wolle. Höflich wollte ich gehen, da ging ein Kamerad an mir vorbei und flüsterte mir zu: „Dran bleiben, Schwester, dranbleiben!“ So wandte ich mich wieder dem alten Mann zu. Knappe 20 Minuten später hat er sich zum Herrn bekehrt.

Natürlich ist Aufdringlichkeit abstossend und das sollen wir niemals sein. Jedoch meinen wir manchmal, aus Respekt vor der Person den Mund halten zu müssen und dabei lassen wir dem Feind freie Bahn. 

Jeder Bekehrung geht ein gewaltiger geistlicher Kampf voraus und da müssen wir Geburtshelfer sein. Das erfordert vollen geistlichen Einsatz. Da sollten wir uns besonders sensibel vom Heiligen Geist leiten lassen.

Die Liebe sagt die Wahrheit
„Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit (…) werden vor ihm versammelt werden alle Nationen, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet.“ Und zu den Verlorenen wird er sagen: „Geht von mir, Verfluchte!“ (Matthäus 25, 31-32 und 41). Ich kann und will es mir nicht vorstellen. Jedes mal, wenn ich meinen Blick über’s Korps schweifen lasse, rufe ich innerlich zu Jesus, es möge doch keiner von ihnen diese Worte je hören müssen! Und dennoch gehört auch die Möglichkeit der Verdamnis zum Evangelium. Jesus zählte das Gericht sogar zu den wichtigeren Aspekten des Gesetzes (Matthäus 23, 23).

Die Menschen müssen wissen, worum es geht, um sich entscheiden zu können. Unsere Basis ist die Schrift und davon dürfen wir nichts verschweigen und nichts hinzufügen, so schwer uns das auch fallen mag.

Die Liebe bekennt sich
Marek* ein älterer, obdachloser Mann, der uns regelässig besuchte, hat sich vor etwa einem Jahr im Suff erhängt. Aber ich vertraue Gottes Barmherzigkeit. Denn nur wenige Wochen zuvor hatte ich in der Predigt die Frage gestellt: „Wer ist Jesus für dich?“ Marek* stand auf, starrte zuerst stumm aufs Kreuz und rief dann mit lauter Stimme: „Er ist mein Heiland!“. 

Wie auch immer die Menschen auf Jesus reagieren, ob sie sich bekehren und nachfolgen oder ob sie bald wieder in ihre alte Lebensweise zurückfallen, es ist unser himmlischer Vater, der sich um jeden Einzelnen von uns kümmert. Er kennt die seinen. Deshalb will ich so wie Marek*, ungeachtet aller Widrigkeiten, weiterhin aufs Kreuz sehen und bekennen: „Er ist mein Heiland“. Das ist alles.

*Namen geändert.

Autor
Auxiliär-Kapitänin Gabrielle Głodek, Korpsoffizierin in Warschau, Polen

Publiziert am
30.8.2017