Gedanke für heute

Gedanke für heute

© Dalila Dalprat_Pexels / Lizenzfrei

Von der Arbeit und der grosszügigen Gabe Gottes (4000 Zeichen).

Während ich diese Reflexion schreibe (Anfang Dezember 2019), berichten Zeitungen und Fernsehsender über die sozialen Unruhen, die das Leben unserer französischen Nachbarn zunehmend behindern. Nach den Demonstrationen der «gilets jaunes» lähmen Streiks die öffentlichen Dienstleistungen, wie Schulen, Züge, U-Bahnlinien und Busse, den Luft- und Strassenverkehr, sowie andere Bereiche der Wirtschaft. Es droht sogar ein Generalstreik, um die Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, Löhne und Renten zu durchzusetzen. In einigen Fällen wirken sich diese Störungen auch auf die Nachbarländer aus. So gesehen darf es uns nicht gänzlich kalt lassen.

Ich bin seit meinem Eintritt in die Arbeitswelt Gewerkschaftsmitglied und hörte so wieder und wieder von den Bemühungen, die die Arbeitnehmer weltweit zum Schutz, zur Erhaltung oder Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen unternehmen. Denn schon jeher gab es Männer und Frauen, die ungerecht behandelt oder sogar Opfer von skandalöser Ausbeutung wurden. Es finden sich einerseits Privilegierte, auf andererseits Opfer. Die Unzufriedenheit der letzteren hat unendlich viele unterschiedliche Gründe.

Erstaunlicherweise lesen wir sogar in der Bibel von Arbeitern, die mit der etwas überraschenden Lohnverteilung ihres Chefs nicht zufrieden waren. Ich spreche hier von dem Gleichnis «von den Arbeitern im Weinberg», das Jesus erzählte. Es steht im 20. Kapitel des Matthäusevangeliums: Der Grundbesitzer ging frühmorgens in die Stadt und warb Arbeiter für seinen Weinberg an. Er einigte sich mit ihnen auf den üblichen Tageslohn einer Silbermünze im Wert eines Denars und schickte sie in seinen Weinberg. Drei Stunden später ging er wieder zum Marktplatz und sah dort noch einige Leute stehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: «Geht auch ihr in meinen Weinberg. Ich werde euch angemessen dafür bezahlen.» Zur Mittagszeit und gegen drei Uhr nachmittags machte sich der Mann erneut auf den Weg und stellte weitere Arbeiter ein. Als er schliesslich um fünf Uhr ein letztes Mal zum Marktplatz kam, fand er immer noch ein paar Leute, die nichts zu tun hatten, und bot auch ihnen Arbeit an. Am Abend beauftragte der Besitzer des Weinberges seine Verwalter, seinen Arbeitern den Lohn auszuzahlen. Sie sollten mit dem Letzten beginnen und mit dem Ersten aufhören. Jeder von ihnen erhielt ein Silberstück. Dann traten die vor, die schon früher mit der Arbeit begonnen hatten. Sie meinten, sie würden nun mehr bekommen, aber auch sie erhielten alle nur ein Silberstück: «Die Leute, die du zuletzt eingestellt hast, haben nur eine Stunde gearbeitet, und du zahlst ihnen dasselbe wie uns. Dabei haben wir uns den ganzen hart gearbeitet!». Der Grundbesitzer aber entgegnete einem von ihnen: «Mein Freund, ich tue dir doch kein Unrecht! Haben wir uns nicht auf diesen Betrag geeinigt? Ich will nun einmal auch dem Letzten genauso viel geben wie dir. Darf ich mit meinem Besitz denn nicht machen, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich so grosszügig bin?»

Dieses Gleichnis ist sicher kein Lehrbeispiel für die manchmal schwierigen Verhandlungen zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Arbeitnehmergewerkschaften bei der Ausarbeitung der aktuellen GAV. Doch Jesus antwortete seinen Jüngern auf die Frage, was im Himmelreich aus ihnen werden wird. Gott ruft uns nicht in die Nachfolge und seinen Dienst auf dieser Erde, um uns irgendeinen Vorteil gegenüber einer anderen Person aus seinem Volk zu verschaffen. Er verspricht uns aber: «Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben» (Johannes 3,16). Ist diese Verheissung nicht die schönste Perspektive überhaupt, die der Herr, unser himmlischer Arbeitgeber, demjenigen bieten kann, der seinem Ruf folgt?

Foto : Dalila Dalprat bei Pexels

Autor
Pierre-André Combremont

Publiziert am
24.2.2020