Lunchpakete aus Nächstenliebe

Lunchpakete aus Nächstenliebe

Heilsarmee-Major Michael Geymeier empfängt seine Gäste im Hof.
Heilsarmee-Major Michael Geymeier empfängt seine Gäste im Hof.
© Stefan Becker / Limitierte Rechte

Bielefeld: Pastor der Heilsarmee baut im Hof seiner Kirche einen Laufsteg zum Essenholen.

Fast über Nacht erhielt Pastor Michael Geymeier die Nachricht, dass er mit seinem Suppenmobil nicht länger Essen vor der "Tüte" verteilen dürfe. Da sei er erstmal verblüfft gewesen, sagt der Major der Heilsarmee, denn immerhin bestand sein Lieferservice bereits seit einer Woche und weder Polizei noch ein Amt hatten bis dahin Anstoß an der Praxis genommen. Am Dienstagabend kam dann das überraschende Ende für die gute Gabe.

Sozialdezernent und Krisenstabs-Chef Ingo Nürnberger begründet die späte Entscheidung folgendermaßen: "Wir haben in dieser Woche im Krisenstab über die Situation an der „Tüte" gesprochen und geklärt, wie wir – vor dem Hintergrund des neuen „Kontaktverbots" – damit umgehen müssen. Ansammlungen von Menschen sind nach dem Erlass der Landesregierung überall verboten, und auch an Imbissen darf das Essen nicht direkt am Imbiss eingenommen werden. Viele der sucht- und alkoholkranken Menschen sind gesundheitlich angeschlagen und deshalb bei einer Corona-Infizierung besonders gefährdet, schwer zu erkranken. Deshalb ist in der jetzigen Situation so wichtig und richtig, gerade an der „Tüte" und am Kesselbrink Menschenansammlungen zu verhindern."

Laufsteg zum Essenholen
Geymeier hatte seine Gäste nach Ausgabe der Mahlzeit gleich gebeten, getrennt voneinander zu essen. Auch hatten sich die Besucher der Freiluft-Suppenküche zuvor regelkonform die Hände desinfiziert - ein Restrisiko aber blieb und das sollte vermieden werden.

Trainiert in Nächstenliebe, nahm Geymeier die Absage sportlich und überlegte sich für sein Klientel in Windeseile eine neue Lösung. Er mobilisierte seine Kontakte in die Gastro-Szene sowie zum Handel und schon am Mittwoch wechselte das Team vom Suppe kochen auf Lunchpakete packen. Geymeier baute aus Kleiderständern und Folie einen Laufsteg zur Essensausgabe mit separatem Abgang, versehen mit Abstands-Markierungen und Desinfektionsmittel-Spendern.

Das Konzept deckt sich diesmal mit den Ideen des Krisenstabes: "Sinnvoll ist aktuell, so die Expertenmeinung, die bedürftigen Menschen mit Lebensmittelpaketen auszustatten. Diese Hilfe ist angelaufen, wir werden uns gemeinsam mit den ehrenamtlichen Initiativen um einen Ausbau dieser Hilfe bemühen", teilte Nürnberger mit. Und die Wohnunsglosen? Die Streetwork von Bethel sei unterwegs und suche die Wohnungslosen auf, so der Sozialdezernent, und auch in den Einrichtungen werde sich um die Betroffenen gekümmert.

Der Hirte der Heilsarmee begrüßt die geleistete Sozialarbeit in Krisenzeiten, doch will er es sich nicht nehmen lassen, seine Schäfchen nach dem Schluss der Lunchpaket-Ausgabe um 15 Uhr selbst aufzusuchen. Das lasse er sich von der Stadt nicht verbieten.

Autor
Quelle: Neue Westfälische (28.03.2020)

Publiziert am
2.4.2020