"Unser Ziel ist, zur Entwicklung der Gesellschaft auf den Philippinen beizutragen"
"Unser Ziel ist, zur Entwicklung der Gesellschaft auf den Philippinen beizutragen"
Die Studentinnen Denise und Sophia aus den Philippinen absolvierten ein Praktikum bei der Heilsarmee Internationale Entwicklung.
Woher kommt ihr, was ist euer Hintergrund, persönlich und professionell?
Sophia Elite B. Atienza: Ich bin 19 Jahre alt und studiere internationale Entwicklung im letzten Semester an der Universität De La Salle Universität in Dasmarinas auf den Philippinen. In meiner Freizeit organisiere ich verschiedene Kurse an der Universität, zum Beispiel einen Tanzklub, dessen Präsdientin ich bin. Ich bin auch Mitglied im Lasallian-Botschafter-Klub für Studenten, der internationalen Studenten oder Angestellten der Universität Campus-Touren anbieten. Ich engagiere mich auch für die Öffentlichkeitsarbeit unseres Fachbereichs internationale Entwicklung.
Denise C. Bernas: Ich bin 20 Jahre alt. Ich komme aus den Philippinen und wohne in Cavite, einer Provinz neben Manila. Auch ich bin Studentin an der De-La-Salle-Universität mit Hauptfach internationale Entwicklung. Die Entwicklungszusammenarbeit interessiert mich sehr, weil ich viele Leute auf den Philippinen kenne, die in Armut leben. Als ich bemerkte, dass in weiten Teilen der Welt die Ungleichheit weiterwächst, hat dies mein Interesse an der Thematik noch verstärkt. Ich glaube auch, dass ich durch mein Engagement die Lebensbedingungen vieler Menschen verbessern und diesen gleichzeitig Jesus Christus näherbringen kann.
Was hat euch zum Praktikum bei Internationaler Entwicklung geführt?
Sophia: In einer NGO zu arbeiten ist einer der besten Möglichkeiten, um in diesem Berufsfeld praktische Erfahrung zu sammeln. Die Heilsarmee ist auf den Philippinen eine der Organisationen, zu denen ich hochschaue, weil sie mit Werten arbeitet und die Bedürfnisse der Gemeinden ernstnehmen.
Denise: Ich wuchs in einer Heilsarmee-nahen Familie auf, meine Grossmutter und meine Tante waren Salutistinnen. Auc meine Eltern waren in ihrer Kindheit Teil der Jugendbewegung der Heilsarmee, doch sie entschieden sich später für eine andere christliche Kirche. Trotzdem konnte ich sehen, was die Heilsarmee für die arme Bevölkerung auf den Philippinen tut und wie sie den Menschen helfen, ihre Situation zu verbessern. Meine Tante arbeitet für die Internationale Entwicklung der Heilsarmee Schweiz und hat mich auf die Möglichkeit dieses Praktikums aufmerksam gemacht.
Wie lange seid ihr hier und was sind eure Arbeitsaufgaben?
Sophia: In den zwei Monaten, die wir in Bern verbringen, haben wir verschiedene Arbeitsaufgaben: die Durchsicht von Dokumenten, Berichten und Evaluationen sowie die Analyse und Synthese einiger Projekte und Programme der Internationalen Entwicklung. Dabei lerne ich neue Ideen kennen, die ich auch auf den Philippinen anwenden möchte.
Denise: Am Ende unseres Praktikums schreiben wir einen Bericht, wie die Projekte mit der Strategie der Internationalen Entwicklung zusammenhängen, wo es Verbindungen gibt, wo die Stärken und Schwächen der Projekte liegen und wie die Projekte noch besser auf die Strategie abgestimmt werden können. Diesen Bericht stellen wir dann dem Team vor.
Wie profitiert ihr persönlich und professionell von eurem Praktikum?
Sophia: Ich lerne viele neue, interessante Wege und Strategien kennen, wie man der lokalen Bevölkerung und denjenigen Gemeinden helfen kann, die es am Dringendsten benötigen. Auch erhalte ich durch dieses Praktikum die Möglichkeit, mehr von der Welt und Europa zu sehen.
Denise: Das Praktikum gibt mir viele Einblicke für mögliche Projekte und Programme auf den Philippinen. Auch erhalte ich die Möglichkeit zu erfahren, wie Entwicklungszusammenarbeit in einem Geberland aussieht, im Gegensatz zu einem Land wie die Philippinen, welches unterstützt wird. Durch die Arbeit hier habe ich gelernt, ganzheitlich zu denken, wenn es um die Ausarbeitung von Projekten geht. Persönlich hat es mich herausgefordert, in einem neuen, unbekannten Arbeitsumfeld wie die Schweiz zu arbeiten.
Hattet ihr die Möglichkeit, auch etwas von der Schweiz zu sehen?
Sophia: Wir bekamen eine Stadtführung durch von Bern. Mit den Majoren Claude-Evelyne und Jacques Donzé, unserer Gastfamilie, waren wir bereits in Yverdon und Neuenburg und auch in Chateau d’Oex, wo wir in einem Chalet gewohnt und Fondue und Meringues gegessen haben. Von dort hat man einen wundervollen Ausblick auf die Berge. Wir sind auch Ski gefahren! Auch haben wir ein Heim für Asylsuchende der Heilsarmee besucht.
Wie gefällt es euch hier?
Sophia: In unserer Gastfamilie fühlen uns sehr willkommen. Sie sind sehr gastfreundlich, hilfsbereit und fast wie Eltern zu uns. Sie kochen uns auch typisch schweizerische Gerichte, zeigen uns die Berge und unternehmen mit uns Aktivitäten im Freien. Mit ihnen besuchen wir den Gottesdienst am Sonntag, und wir haben auch schon ihre vier Töchter und drei Enkelkinder kennenelernt.
Denise: Wir sind gesegnet, solch warmherzige und liebenswürdige Gastgeber zu haben! Wir können ihnen gar nicht genug danken, dass sie uns wie einen Teil ihrer eigenen Familie behandlen. Sie helfen uns auch immer, wenn wir wegen sprachlicher Barrieren nicht weiterkommen. Sie sind auch sehr geduldig mit uns, vor allem was die kulturellen Unterschiede anbelangt.
Was ist euer Eindruck von der Schweiz?
Sophia: Die Schweiz ist eines der besten Länder, das ich je gesehen habe, weil alles so geordnet und nachhaltig ist. Die Transportmöglichkeiten sind grossartig und zugänglich, das Essen ist köstlich, vor allem die Milch und der Käse, die ich schon seit meiner Kindheit so mag. Die Möglichkeiten für die Menschen, ein angenehmes Leben zu führen, ist in der Schweiz gegeben.
Was sehen eure Pläne für die Zukunft aus?
Sophia: Ich will in einer NGO arbeiten und den Menschen helfen, auf einen guten Weg im Leben zu kommen. Auch möchte ich darauf fokussieren, dass meine innovativen Ideen und Handlungen zur Verringerung der Umweltverschmutzung führen. Ich möchte verschiedene weitere Länder entdecken und noch mehr Ideen sammeln. Mein Ziel ist, zur Entwicklung und Veränderung der Gesellschaft auf den Philippinen beizutragen.
Denise: Ich plane, einige Zeit zu arbeiten, meinen Masterabschluss zu machen und danach zu doktorieren. Hoffentlich kann ich beides hier in der Schweiz oder in den Niederlanden tun.
Wo liegen eurer Ansicht nach die grössten kulturellen Unterschiede zwischen den Philippinen und der Schweiz?
Sophia: Die Art und Weise, wie die Leute sich grüssen und respektieren, ist unterschiedlich. Auf den Philippinen sagen wir „po and opo“ zu den Älteren oder zu Unbekannten und führen ihre Hand zu unserer Stirn. Hier in der Schweiz geben sich die Leute zur Begrüssung Küsse auf die Wange und sagen „Hallo“. Das Essen ist auch sehr unterschiedlich. Auf den Philippinen gibt es immer Reis als Beilage, vom Frühstück bis zum Abendessen. In der Schweiz ist auch die Pünktlichkeit viel wichtiger als auf den Philippinen. Zuhause sind Verspätungen normal.
Denise: Die Schweizer sind sehr diszipliniert. Sie sind immer pünktlich und tun alles mit sehr hoher Qualität. Auf den Philippinen ist es ziemlich das Gegenteil. Hier in der Schweiz leben die Menschen unabhängiger, auf den Philippinen leben die Familien enger zusammen und zum Teil auch im selben Haus, von den Grosseltern bis zu den Enkeln. Die Menschen in der Schweiz scheinen sehr grossen Wert auf ihre Privatsphäre zu legen. Selten verabreden sie sich mit ihren Nachbarn, um Spass zu haben. Auf den Philippinen ist zum Beispiel Karaoke mit den Nachbarn sehr beliebt. Man singt von morgens bis abends, vor allem wenn man eine Party feiert.
Was ist euer Eindruck von der Heilsarmee Schweiz oder von Internationaler Entwicklung?
Sophia: Die Leute von der Heilsarmee Schweiz und der Internationalen Entwicklung sind sehr warmherzig, heissen uns willkommen und helfen uns ständig. Auch geben sie uns Ratschläge, wo wir die Informationen finden, die wir für unsere Arbeit brauchen. Sie sind sehr gut organisiert und setzen sich dafür ein, Ländern in Not zu helfen.
Was haltet ihr vom Schweizer Essen? Habt ihr bereits Schokolade versucht?
Sophia: Ja, ich esse in jeder Pause Schokolade! Der Käse ist auch gut, immer wenn ich Brot esse, esse ich dazu auch Käse.
Wie würdet ihr die Schweizer Arbeitsmentalität beschreiben? Was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Philippinen?
Sophia: Hier in der Schweiz achten die Leute viel mehr auf die Zeit, die es für Events oder zum Arbeiten oder in der Freizeit benötigt, darum sind alle pünktlich. Auf den Philippinen ist das nicht so. Da ist die Zeit ständig ein Problem und Events oder Projekte müssen zeitlich angepasst werden, weil viele Leute sich verspäten. Wenn die Leute in der Schweiz etwas erledigen müssen, dann tun sie es sofort. Nicht so auf den Philippinen, dort tut man es ein wenig später. Aber sowohl die Schweiz als auch die Philippinen sind sehr gastfreundlich und die Leute sinds freundlich zueinander, auch wenn man sie zum ersten Mal trifft.
Denise: Wenn ich die Arbeitsmentalität der Schweiz zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Es ist das Beste aus zwei Welten. Arbeiten in der Schweiz ist effizient, qualitativ und resultatorientiert. Man nimmt sich Zeit für die Arbeit, aber auch für die Freizeit, und diese Balance trägt zur Produktivität bei. Man hat Pausen, in denen man sozialisieren und miteinander sprechen kann. Auf den Philippinen ist alles mit Arbeit verbunden. Selbst die Mittagspause, unsere einzige Pause, verbringen wir vor dem Computer.
Autor
Interview, Übersetzung und Bildergalerie: André Chatelain
Publiziert am
2.4.2019