Von der Strasse ins Drei-Sterne-Hotel

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Warum das Heilsarmee-Hotel Bel'Espérance in Genf obdachlose Frauen beherbergt (Reportage in Le Temps zusammenfassend übersetzt)

Als Mitte März die Bevölkerung zur Selbstisolation im Zusammenhang mit dem Coronavirus aufgerufen wurde, stellte sich auch in Genf die Frage, was aus den Obdachlosen werden sollte. Denn die bestehenden Notunterkünfte der Stadt können den Social-Distancing-Regeln nicht entsprechen.

Das Hauptquartier der Heilsarmee in Bern hatte damals die sehr gute Idee, ihr einziges Hotel obdachlosen Frauen zur Verfügung zu stellen. Das Bel'Espérance, das normalerweise eine kommerzielle und touristische Kundschaft empfängt, wurde in eine Notunterkunft umgewandelt. Von einem Tag auf den anderen ersetzten Sozialarbeiter die Angestellten des Hotels. Somit hat das Bel'Espérance vorübergehend seine ursprüngliche Berufung wiedererlangt, da es zwischen 1932 und 1991 ein Heim für alleinstehende Frauen war.

Valérie Spagna, Leiterin des Acceuil de Nuit (Notschafstelle) der Heilsarmee in Genf, erklärt, dass es für obdachlose Frauen schwierig sei, an einem überfüllten Ort zu leben, der für 250 Personen ausgelegt sei. Dabei bezieht sich Spagna auf die Kaserne Les Vernets, welche die Stadt Genf geräumt und der Unterbringung von Migranten zur Verfügung gestellt hat. Frauen könnten nicht in Unterkünften logieren, wo es zu viele Menschen gibt. Einige seien schwanger, andere hätten Gewalt erlebt. Eine kleine Struktur wie das Bel'Espérance habe menschliche Ausmasse und erlaube es den Frauen, Abstand zu halten. "Im Moment ist noch niemand erkrankt, weder unter den Gästen noch unter dem Personal", betont Spagna. Und eine Freiwillige sagt im Vertrauen: "Die Frauen haben weniger dunkle Ringe unter den Augen, machen sich wieder zurecht und  erneuern den Kontakt zu ihren Lieben via Internet."

Das Bel'Espérance, das die Frauen ursprünglich bis zum 19. April beherbergen sollte, hat diesen soeben angenboten, ihr Zimmer noch einen weiteren Monat zu behalten.

Autor
Die Redaktion / Quelle: Le Temps (14.04.2020)

Publiziert am
15.4.2020