Warmes Militärbrot für über 1500 Bedürftige

Warmes Militärbrot für über 1500 Bedürftige

Die Majore Monika und Beat Schulthess riefen auf die Wintermonate hin eine Corona-Hilfsaktion ins Leben.
Die Majore Monika und Beat Schulthess riefen auf die Wintermonate hin eine Corona-Hilfsaktion ins Leben.
© Irene Eichenberger / Limitierte Rechte

Die Heilsarmee Zürcher Oberland hat das Corona-Hilfsprojekt «Brot für Menschen in Not» lanciert.

Den alten Bäckereiwagen, der zurzeit an der Apothekerstrasse in Uster steht, kennen viele vom Uster Märt. Daraus verkauft die Heilsarmee Zürcher Oberland nämlich jeweils frisches Militärbrot. Diese mobilen Militärbäckereien stellten in der Schweiz vor allem in den 60er- und 70er-Jahren die Brotversorgung für die Armee sicher. Heute sind die Wagen alle im Osten – bis auf einen. Diesen hat die Heilsarmee Zürcher Oberland für die nächsten drei Monate gemietet. Denn dieses Brot wird in der schweizweit letzten mobilen Militärbackstube aufgebacken.

Diese mobilen Militärbäckereien stellten in der Schweiz vor allem in den 1960er und 1970er Jahren die Brotversorgung für die Armee sicher. Heute sind die Wagen alle im Osten - bis auf einen. Diesen hat die Heilsarmee Zürcher Oberland für die nächsten drei Monate gemietet. Gebacken wird diesmal allerdings weder für Soldaten noch für Uster-Märt-Besuchende, sondern für Menschen in Not. Es ist ein Corona-Hilfsprojekt für Personen mit finanziellen Schwierigkeiten.

Am Mittwoch, 18. November, startete das Projekt. Jeweils mittwochs, freitags und samstags werden hier während drei Stunden aufgebackene Brote und andere Lebensmittel, die von verschiedenen Spendern zur Verfügung gestellt werden, gratis an Bedürftige abgegeben. Auf Andrang vorbereitet Kurz vor Dämmerungsbeginn laufen am Eröffnungstag die Öfen in der Militärbäckerei heiss. Daneben steht ein Festivalzelt, darunter sind hinter einer Plexiglasscheibe diverse Esswaren auf einem Tisch aufgereiht: Joghurt, Äpfel, Wähen, Baumnüsse, vegane Proteindrinks und mehr.

Dahinter stehen einige Freiwillige der Heilsarmee. Zum Zelt führen einige weisse Bodenmarkierungen im 1.5-Meter-Abstand. Eine Warteschlange gibt es heute allerdings nicht. Das werde sich aber noch ändern, sind sich Beat und Monika Schulthess, Korpsleiter und Initianten des Projekts, einig.

«Wir arbeiten mit dem Sozialamt und anderen Hilfsorganisationen zusammen», sagt Pfarrer Beat Schulthess. In Uster gebe es rund 1000 Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen. Diese sowie 400 weitere Menschen mit Geldnöten würden persönlich oder brieflich auf das Projekt aufmerksam gemacht. «Wenn alle informiert sind, rechnen wir mit einem grossen Andrang», so Schulthess. In der Öffentlichkeit habe man das Projekt noch nicht gross beworben, da man gezielt denjenigen Menschen helfen wolle, die es wirklich brauchen.

«Wir wollen nicht Polizei spielen, gleichzeitig aber Schmarotzertum vermeiden», sagt Schulthess. Deshalb erfolge die Abgabe auch gegen das Vorweisen einer Bezugskarte, die entweder bei der Heilsarmee oder beim Sozialamt ausgestellt werde. Das sei beispielsweise ein Unterschied zum Foodsharing-Kühlschrank auf dem Zeughausareal, wo sich nicht nur Bedürftige, sondern alle bedienen dürfen. Neben dem Kühlschrank gibt es für finanzschwache Personen in Uster auch das «Tischlein deck dich» von der Reformierten Kirche. Von diesen Angeboten will sich die Heilsarmee mit dem noch warmen Brot aus dem Bäckereiwagen unterscheiden.

Als Konkurrenz zu den anderen Abgabestellen in der Umgebung sieht sich die Heilsarmee allerdings nicht. Denn in der Stadt gebe es nicht genügend Möglichkeiten, um für wenig Geld an Lebensmittel zu kommen, so Beat Schulthess. «Denn es gibt immer mehr Leute, die durch das soziale Netz fallen gerade auch in Zeiten von Corona», sagt er. Das habe sich unter anderem während des Lockdowns gezeigt, als die Heilsarmee Zürcher Oberland ein Corona-Seelsorgetelefon eingerichtet habe. «Über die Nummer erreichten uns über 800 Anrufe. Einsamkeit, Depressionen und finanzielle Not waren grosse Themen», sagt Beat Schulthess.

«Suppe, Seife, Seelenheil»
Jetzt im Winter könnten solche Probleme ihm zufolge noch stärker auftreten, deshalb habe man die Vision mit der Militärbäckerei gehabt. Als kirchliche Institution sehe man sich in der Verantwortung, für Menschen in Not da zu sein - unabhängig von deren Glaubensrichtung. «Wichtig ist, dass wir die Menschen im Rahmen des Projekts ganzheitlich sehen, gemäss dem Motto der Heilsarmee: Suppe, Seife, Seelenheil», sagt Monika Schulthess. Die Suppe bestehe in diesem Fall aus den Lebensmitteln, die Seife aus Desinfektionsmittel, und für das Seelenheil sind Mitglieder der Heilsarmee vor Ort, die auf Wunsch auch seelsorgerisch Hilfe anbieten.

Aufdrängen wolle man sich damit aber niemandem und vergebe Lebensmittel ohne Erwartungshaltung. «Das ist keine manipulative Evangelisationsgeschichte, bei der wir darauf abzielen, Menschen in unsere Kirchgemeinde zu ziehen», sagt Beat Schulthess. Manchmal ergebe es sich durch die Gespräche und die Gemeinschaft, dass sich jemand für den Glauben zu interessieren beginne. Das sei aber nicht das primäre Ziel der Brot-Aktion. Brot wie vor SO Jahren Es ist mittlerweile dunkel.

Aus dem Bäckereiwagen dringt Licht nach draussen. Gerade ist Ruedi Moser am Werk. Er hatte einst in Uster eine eigene Backstube - die mobile Backstube kennt er allerdings von noch früher: In den 1970er Jahren hat er darin für die Armee Brot gebacken, zusammen mit etwa vier Militärkollegen, wie er erzählt. Rechts neben dem Eingang wurde in einer riesigen Schüssel Teig angerührt und geknetet und zu Broten geformt. Gegenüber wurden sie gelagert, bevor sie im Ofen landeten.

Heute bekämen sie allerdings fertige Brote vom selben Morgen geliefert und würden diese vor der Abgabe im Wagen nochmal aufbacken. Das Militärbrot sei mehrere Tage lang haltbar. Im Verlauf des Abends zieht die Aktion immer mehr Interessierte an. Manche Passanten fragen nur aus Neugier, was hier passiert. Andere kommen mit Einkaufstaschen und Bezugskarten, wieder andere lassen sich zuerst das Projekt erklären und dann eine Karte ausstellen.

Im Abfall landet nichts
Am Ende ist die Heilsarmee einen grossen Teil der heutigen Lebensmittel losgeworden und insgesamt zufrieden: Etwa 25 Personen sind an jenem Abend vorbeigekommen und mit vollen Papiertüten wieder nach Hause gegangen - darunter auch ein Mitarbeiter des Durchgangszentrums in Hinteregg, der für die rund SO dort wohnenden Asylsuchenden Brot und andere Nahrungsmittel abholte. Beat Schulthess rechnet mit einer wachsenden Nachfrage in den kommenden Wochen. Bei Bedarf werde man das Angebot auf weitere Wochentage ausweiten und allenfalls Produkte zu Leuten nach Hause liefern. Die übrig gebliebenen Produkte landen überdies nicht im Müll. Manche würden beispielsweise einfach an anderen Tagen nochmal verteilt, andere gingen zurück an die Sponsoren oder an andere Abgabestellen, erklärt Schulthess.

Und das harte Brot werde zum Beispiel zu Tierfutter.

Autor
Quelle: Zürcher Oberländer (24.11.2020)

Publiziert am
24.11.2020